Überraschung mit Überraschungseffekt
Ich habe miserabel geschlafen, viel zu warm war es im Zimmer. Ein Fenster konnte ich nicht öffenen, weil: es gab keines. Habe ich noch nie erlebt, ein Hotelzimmer ohne Fenster - nennt man das Innensuite? Und das was sich Klimaanlage nannte, war nicht regelbar. Aber eine zweite Tür gab es, diese führte in ein Treppenhaus, ich vermute mal, der Fluchtweg.
Ab 7 Uhr gab es Frühstück, schon 15 Minuten vorher war ich unten, da waren die ersten Gäste schon mit Frühstück fertig. Überwiegend in Blaumann oder Sicherheitskleidung, was meinen Eindruck verstärkte, dass ich nicht in einem Hotel, sondern in einem Arbeiterwohnheim bin. Entsprechend war auch das Frühstück: ausreichend und praktisch, aber lieblos, keine gedeckten Tische, noch nicht einmal Tischdecken. Aber egal, ich hatte weder Hunger, noch Appetit und notfalls konnte ich ja später nochmals auf dem Schiff frühstücken. Kaffee und Müsli mit Joghurt reichten erst einmal aus
Das Hotel war nicht so der Bringer, Waffeln für lau, noch dazu wenn man kein Fan ist, sind nicht alles. Aber für eine Nacht ging es. Die Nähe zu Hurtigruten machts - es muss nicht immer Thon sein (irgendwo habe ich diesen Satz schon mal gelesen)
Als ich später vor die Tür trat - Tageslicht
Und was für eines. Kleine rosa Wölkchen zeigten die reste eines sicher tollen Sonnenaufgangs. Blauer Himmel, der einen wunderschönen Tag versprechen und einleiten sollte
Mit erwartungsfrohem Lächeln machte ich mich auf den Weg zum Hurtigruten - Anleger.
Als ich am Bahnhof die Straße überqueren wollte, raste ein 911-er Porsche mit norwegischem Nummernschild an mir vorbei. Verwirrt und ungläubig schaute ich hinterher. Was stimmte hier nicht? Finde den Fehler!
Sekunden später musste ich über mich selber lachen, als mir die Erkenntnis kam: Halloooohoho, wir sind in Norwegen, da kann es schon mal vorkommen, dass die Fahrzeuge norwegische Kennzeichen haben, notfalls auch am Porsche
Mit meinem breitesten Grinsen stieg ich in den Fahrstuhl und lief über die Brücke. Und da sah ich sie: Munkholmen im feinsten Morgenlicht.
Leider zu spät hatte ich festgestellt, dass zur Zeit ein Ausflug 3 E zur Insel Munkholmen durchgeführt wird. Eine schnell noch ans Schiff geschickte Mail mit Reservierungsanfrage wurde umgehend und freundlich, aber absagend beantwortet. Ich hätte nach dem Anlegen in Trondheim noch Zeit, an Bord zu buchen. Es war einen Versuch wert. Einer der Gründe, warum ich mich schon so zeitig auf den Weg machte. Aber es gab noch andere: ich wollte die MS NORDKAPP in Trondheim einfahren sehen und ich wollte meine eigentlich perfekt geplante Überraschung für Marihøna inszenieren
Auf dem Weg kamen mir die ersten Touristengrüppchen entgegen, mit geschultem Auge unweigerlich als Hurtigrutenfahrer zu erkennen. Was bedeutete: das pünktlichste Schiff der Flotte war schon da
Kennt ihr das.... wenn an eine Satanlage, eine Fahne, Aufbauten sieht und plötzlich Gänsehaut bekommt? Natürlich!!! Dieser Reflex wird wohl immer funktionieren
Minuten später schlenderte ich gemütlich an der MS Vesterålen entlang um an der Spitze des Anlegers auf der MS NORDKAPP zu warten. 10 Minuten nach 8 Uhr hatte ich eine schöne Position und da kam sie auch schon, viel zu früh. Und die Sonne strahlte - was für ein Tag. Geschmeidig wendete das Schiff, fast zum Anfassen nah. Wenn Jacqueline jetzt auf dem Außendeck war, würde sie mich sicher erkennen, aber daran dachte ich gerade nicht. Im Nachhinein weiß ich, dass sie nicht draußen war - an dieser Stelle Glück gehabt
Ich beobachtete noch das Einparken und lief dann langsam zu "meinem Schiff".
Mein Plan: hinter der Gangway warten, bis Jacqueline und Familie von Bord gingen, ich rechnete einfach damit, dass sie Ausflug oder Stadtbummel machen würden. Warum ich während meines Ganges zum Schiff nicht einmal nach oben geschaut hatte, kann ich nicht mehr sagen, auf jeden Fall hätte ich sonst bemerkt, dass ich schon eine ganze Weile beobachtet wurde War ja auch nicht gerade intelligent, in meiner so unauffälligen Lieblingsjacke heimlich am Schiff entlang zu schleichen
Als ich gerade meinen ausgesuchten Posten einnehmen wollte, hörte ich von genau über mir eine bekannte Stimme "Hallo". Das war dann das Ende meiner Überraschungsmission. Schade. Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert
Die Freude, uns wiederzusehen und auch noch ein paar Tage zusammen zu reisen, war auf beiden Seiten unglaublich.
Und wir würden auch gleich Gelegenheit haben, beim Ausflug Munkholmen an unser letztes Treffen vor mehr als einem halben Jahr anzuknüpfen. Es war wieder so, als würde man sich ewig kennen.
Nun musste ich schnell sein - Einchecken und Ausflug buchen, Kabine belegen und wieder raus. Da habe ich auch erfahren, dass der Ausflug wegen Mangel an Teilnehmern fast ausgefallen wäre, an Bord waren nur ca. 120 Paxe. Glück gehabt.
Am Treffpunkt lernte ich dann auch den "weltbesten Ehemann" kennen. Und los ging es.
Zu Fuß gingen wir am Pirbadet vorbei und machten einen Abstecher zum Clarion Hotel. Dann ging es zum Bootshafen am Brattørkai, wo ein Ausflugsboot auf uns wartete, das zur Insel Munkholmen übersetzte. Die Fahrt bei dem Traumwetter war wunderbar. Unsere Guide - eine Deutsche aus Lübeck - erklärte und erzählte schon während der Überfahrt über Trondheim und die Insel Munkholmen.
Auf der Insel konnten wir dann alle standesgemäß in Mönchskutten an dem Rundgang teilnehmen.
Im Inneren der Festung erfuhren wir dann vieles über die verschiedenen Nutzungskonzepte von der Wikingerzeit bis zum 2. Weltkrieg. Wir haben viele noch erhaltene Räumlichkeiten sehen können und über die Geschichte der Besetzer und Gefangenen erfahren, haben Waffen und Werkzeuge gesehen. Zum Schluss konnte sich jeder noch ein paar Minuten auf der Insel umsehen, bevor es mit dem Boot wieder zurück ging.
Die Rückfahrt erfolgte dann nicht auf direktem Weg, sondern durch den Kanalhafen zum Schiff.
Wir fuhren unter der Klappbrücke Skansenbrua durch, entlang an den für Trondheim typischen Lagerhäusern, die direkt am Wasser liegen. Wir sehen den Hauptbahnhof, wo die Meråkerbahn, Nordlandsbahn, Rørosbahn und Dovrebahn beginnen bzw. enden. Weiter geht es am alten Fischmarkt Ravnkloa, von dem aus man die Türme des Nidarosdomes sehen kann entlang letztendlich wieder zum Bootshafen.
Die nun noch verbleibende Zeit bis zum Ablegen des Schiffes nutze ich - und auch andere - im nahegelegenen Supermarkt das Notwendigste oder wie auch immer, einzukaufen. Bei mir sind es Getränke, Rosinenbøller und Süßigkeiten. Und ich habe für meine Tassimo-Maschine FREIA -Trinkschokolade mitgenommen, die ist vielleicht lecker...
Die Zeit bis zum Ablegen des Schiffes nutzte ich dann, mich erst einmal in meiner Kabine einzurichten.
Ich fühlte mich sofort wohl. Umlaufdeck, Kabine 532, diese ist etwas eingerückt und hat so ne Bank mit Rettungswesten drin, davor. Also keine Gefahr, dass mal jemand davor steht. Und wenn, wäre es eh egal - diesmal habe ich mich wirklich so gut wie nie da drin aufgahalten
Und dann musste ich ja endlich das Geheimnis um Miss Türkis in Trondheim lüften.
Mit dem Ablegen des Schiffes bis nach dem Stokksund habe ich mich mit Sonnenbrandgefahr draußen aufgehalten, dabei die verschiedenen Decks und Aussichtsmöglichkeiten getestet. Einen Lieblingsplatz habe ich dabei nicht gefunden, hatte nur den schnellsten gecheckt - Kabine raus, um die Ecke und aufs Umlaufdeck. Da das auch überwiegend Jacquelines Lieblingsplatz war, sind wir uns immer wieder begegnet, was uns auch immer wieder gefreut hat
Ich werde an dieser Stelle darauf verzichten, die Fahrt der nächsten Stunden zu beschreiben, da war Traumwetter, aber sonst nichts, was von den vorherigen Touren unterscheidet. Mit einem Unterschied: Kurz nach Vorbeifahrt an Agdenes Fyr kreuzten wir einige Wikingerschiffe. Wo auch immer sie hinwollten, sie waren friedlich gestimmt und haben uns nicht angegriffen
Die Folda krönte diesen bisher schönen Tag mit gemäßigter Freundlichkeit.
In Rørvik ging ich natürlich kurz von Bord, schließlich lagen wir ein paar Minuten neben meinem Lieblingsschiff MS RICHARD WITH Das war einen Kurzbesuch wert.
Mit meinem Tablet suchte ich mir dann eine WLAN-günstige Ecke in der Cafeteria und gönnte mir zum Internet eines meiner geliebten Rekerbrote
Und als Belohnung fürs Aufessen gab es dann auch noch Nordlicht. Ich weiß nicht, was in diesen wundervollen Tag nun noch gepasst hätte, er war voll mit schönen Ereignissen und Eindrücken, zusammen mit tollen Menschen.
Auf dem Weg in meine Kabine entdeckte ich dann noch die Abstimmungszettel für die Polarkreisüberquerung am nächsten Tag, na da musste ich doch mit meinem Standardtipp - 07:17:27 - das Glück erneut herausfordern.
So, hier noch ein paar Bilder vom Tage, dann ist Nachtruhe