In meinem Vorstellungsposting hatte ich schon erwähnt, wie wir durch Kari Bremnes' Lied „Hurtigrute“ auf diese norwegische Institution aufmerksam wurden. Diese Sängerin weckte in uns mit ihren wunderschönen Liedern das Interesse für die norwegische Sprache und Norwegen. So lag es nahe, einmal in dieses Land zu reisen und warum nicht gleich mit der Hurtigrute? Gesagt, getan. Die „Goldsuche“ bezieht sich auf die Textzeile:
- „Kapitän in schwarzer Uniform, mit echtem Gold in den Rangstreifen“.
Gefunden haben wir schlißlich ein anderes Gold, eine Reise durch den goldenen Herbst.
Am Vortag der Reise – Der Countdown läuft
Noch 35 Stunden bis zur Abfahrt der MS Nordkapp in Bergen. Überpünktlich trifft das Taxi ein, das uns an einem trüben Septembertag nach Schönefeld bringt. Vorangegangen war die Schlacht mit der Kofferwaage um das Gewicht des umfangreichen Gepäcks flugtauglich auszutarieren. Die Anspannung der letzten Tage verfliegt erst, als wir endlich im Flugzeug nach Oslo sitzen.
Der Flug nach Oslo verlief ruhig. An einigen Stellen konnte man durch Lücken in der Wolkendecke schon ein Stück Norwegen (oder Schweden?) erahnen. Der Flughafen Gardemoen scheint im Nirgendwo zu liegen, jedenfalls waren beim Anflug rundherum nur Wälder zu sehen. Der Anschlussflug nach Bergen dauert nur 40 Minuten, die Fahrt mit dem Flybuss vom Flughafen ins Zentrum dagegen (staubedingt) 45 Minuten. Verrückte Zeitrechnung.
Bergen empfängt uns so, wie wir Schönefeld verlassen hatten: trüb und regnerisch. Nach dem Einchecken im Hotel erkunden wir bei leichtem Nieselregen die berühmte Altstadt Bryggen. Der Plan sah eigentlich vor, danach zum Hurtigruten-Terminal zu spazieren um das an diesem Abend abfahrende Schiff zu sehen, aber der immer stärker werdende Regen veranlasste uns, stattdessen gleich zu Abend zu essen. Nach dem Abendessen nieselte es dann nur mehr leicht und wir entschlossen uns, doch noch zum Hurtigruten-Terminal zu laufen. Und das erste, was wir von der Hurtigruten-Flotte zu sehen bekamen war der schönste Teil des schönsten Schiffes : das Heck der MS Vesterålen.
Wir gingen noch ins Terminal hinein und drückten uns an der Glastür zur Passagierbrücke fast die Nasen platt, sodaß der Terminalangestellte von der anderen Seite fragte, ob wir noch mitwollten. Nein, nein erst morgen! In genau 24 Stunden!
[size=12]19. September – Neue Zeitrechung – Tag 1
Heute wird also die neue Zeitrechnung beginnen, wo es nicht mehr heißt: „19. September“ sondern „1. Seetag“.
Noch ist es nicht soweit. Der Hotel-Rezeptionist gab uns beim Auschecken noch den Rat, nicht vor 16:00 Uhr zum Hurtigruten-Terminal zu fahren. Das hatten wir auch nicht vor, schließlich wollten wir uns noch ein wenig die Stadt Bergen ansehen, unter anderem vom Fløyen aus.
Bei bedecktem, aber immehin trockenem Wetter schlenderten wir nochmal an den Holzhäusern am Bryggen entlang, gingen um sie herum Richtung Mariakirken und entlang der Ovregate wieder zurück. Von dieser leicht erhöhten Straße hat man eine schöne Sicht auf die verwinkelten Dächer der Holzhäuser. Nebenbei entdecken viele Galerien und Antiquariate.
- Einschub: Was wir nicht entdecken ist eine Apotheke, nach der wir beiläufig Ausschau halten, um uns Tabletten gegen Reisekrankheit zu besorgen. Uns fällt ein, was Kari Bremnes bei ihrem Berliner Konzert 2012 gesagt hat: sooooo viele Apotheken gäbe es in Berlin, mehr als in ganz Norwegen. Das scheint zu stimmen. Um es vorwegzunehmen, wir haben zwischen Bergen und Kirkenes ganze zwei Apotheken gesehen. Dafür aber ungezählte Frisørläden. Die gibt es in jeder norwegischen Stadt an fast jeder Ecke. Was mich zu der gewagten Theorie inspirierte, daß die norwegischen Friseure vielleicht einen seltsamen Haarheilkult betreiben.
Die Aussicht vom Fløyen hält was alle Reiseführer versprechen, sie ist wirklich beeindruckend. Unser Blick schweift natürlich auch auf den verwaisten Hurtigrutenterminal. In ein paar Stunden wird dort unsere Traumreise beginnen. Wir wollten noch ein Stück den Wanderweg hinter dem Bergrestaurant erkunden, doch es beginnt – was wohl? - zu regnen. Flucht ins Bergrestaurant zum Aufwärmen, doch das hat geschlossen. Plan B: Flucht in den Souvenir-Kiosk. Die Idee war so gut, daß sie alle auf der Aussichtsplattform hatten, inklusive mehrere Busreisegruppen. Touristenkuscheln zwischen Plastik-Trollen!
- Einschub: meine Theorie zur Entstehung des Ortsnamens Bergen ist wie folgt: Schon in alter Zeit wurde die Frage „Was machen wir bei Regen?“ zum geflügelten Wort. Die Einwohner grüßten sich damit, dabei wurde die Phrase zu einem knappen „Bei Regen?“ abgekürzt. Mit der Zeit schliff sich das zu einem undeutlichen „Beirgen“ ab, woraus im Zuge der 2. neunordischen-völlig-frei-erfunden Lautverschiebung „Bergen“ wurde.
Wir treten die Talfahrt an und nach dem Mittagessen wollen wir von der Halbinsel Nordnes aus das Einlaufen unseres Schiffes beobachten. Wir finden einen schönen Aussichtspunkt als es – warum wundert uns das nicht? - zu regnen beginnt. Glücklicherweise nur kurz. Wir blicken gebannt Richtung Askøybrücke, von wo aus wir das Schiff vermuten. Doch plötzlich hören wir von knapp rechts unter uns ein wohlklingendes Schiffshorn. Da fährt auch schon unmittelbar vor uns die MS Nordkapp vorbei, die sich heimlich um die Spitze der Halbinsel angeschlichen hat. Hektisch werden die Fotoapparate gezückt und wild losfotografiert. Mein Kameraakku meint, gerade jetzt leer werden zu müssen. Doch schneller als Clint Eastwood in „Für eine Handvoll Dollar“ seinen Revolver geladen hat (siehe: hier) war der Akku gewechselt. Schön, wie sich das Schiff vor unseren Augen dreht, als ob es sich uns von allen Seiten zeigen wollte. Freundlicherweise hat der nun folgende Starkregen mit seinem Einsetzen gewartet bis das Schiff rückwärts am Kai angelegt hat (nach zwei Tagen Bergen wird man bescheiden)! Ebenso hektisch wie sie ausgepackt waren haben wir unsere Kameras wieder verstaut und unter einer Hauseinfahrt Unterschlupf gesucht.
Als der Regen nachlässt, machen wir uns auf den Rückweg zur Nykirke, von wo aus wir mit der Fähre übersetzen wollen. Da bricht tatsächlich die Sonne durch die Wolken und taucht Bergen in gleißendes Licht. Doch da alles Gute nie beisammen ist setzt in der gleichen Sekunde ein Platzregen vorm Herrn ein, der uns zum ersten Mal in Bergen im Laufschritt einen Unterstand suchen läßt. Die Regentropfen im strahlenden Sonnenschein bieten einen seltsamen Anblick.
Als der Regen nachläßt setzen wir wie geplant mit der Fähre nach Bryggen über. Die Beffen-Fähre verdrängt damit die MS Nordkapp in der Kategorie „Unsere erste Fahrt in norwegischen Hoheitsgewässern“ auf Platz 2 :D. Wir schlendern gemütlich Richtung Torget und weiter als uns – na was wohl? - plötzlich einsetzender Starkregen unter den Sonnen(?)schirm vor einem Lokal zwang. Da wir eh hungrig waren, sind wir hinein um uns zu stärken. Während wir unseren Kaffee und leckeren Kuchen konsumieren, strahlte draußen die Sonne mit sich selbst um die Wette, als wollte sie sagen „ätsch-bätsch-ausgetrickst“.
Jetzt haben wir vorläufig genug von dieser Stadt . Also zurück zum Hotel, das deponierte Gepäck abholen und ab zum Hurtigrutenterminal. Wir checken ein und halten sie in Händen – unsere Bordkarten, die von jetzt an fast wichtiger als unsere Personalausweise sein werden. Rauf aufs Schiff und zu einer ersten Erkundungstour aufbrechen. Um etwa 18:00 Uhr kam die Durchsage, daß die Kabinen bezugsfertig sind, also sind wir in unser Heim für die nächsten 11 Tage und packen die mühsam gewichtsbalanciert gepackten Koffer aus und richten uns häuslich ein.
Die Idee vor der Abfahrt zum Abendessen zu gehen verwerfen wir. Eine lange Schlange und „interessante“ Diskussionen ob die stehende Warteschlange Vorrang gegenüber den im Sitzen wartenden Leuten hat vertreibt uns schnell wieder. Wir setzen stattdessen unsere Schiffserkundung fort und zur Abfahrt sind wir auf Deck 5. Dort bleiben wir bis zur Durchfahrt unter der Askøybrücke. Das Abenteuer hat begonnen!
Nachtrag: Nach dem Abendessen und der Informationsveranstaltung ziehen wir uns in unsere Kabine zurück. Wir bemerken ein leichtes Schaukeln im Schiff und ich merke ein flaues Gefühl im Magen. Obs! Da ist jemand nicht seefest! Das leckere Bergen-Buffet befand es daraufhin für unter seiner Würde im Magen einer Landratte zu bleiben . Meinem Schatz macht die Schaukelei dagegen nichts aus. Sie besorgt mir Postafen-Tabletten, die aber doch nicht so schnell wirken, wie man ihnen nachsagt. Aber nach einer Frischluftrunde auf Deck 5 lasse ich mich von der Schaukelei sanft in den Schlaf wiegen.