BRITANNICUS auf Abwegen - Abstecher ans Mittelmeer

  • Über das Himmelfahrtswochenende war ich mal wieder dienstlich in Sachen Comenius unterwegs, diesmal mit einer kleinen Schülergruppe nach Asien, genauer gesagt nach Tarsus, dem Geburtsort des Apostels Paulus in der heutigen Türkei. Ein paar Impressionen will ich Euch nicht vorenthalten:


    Was zunächst auffällt, ist das starke Nationalgefühl der Türken - die Nationalflagge und das Bild Atatürks, des Gründers der modernen Türkei, sind im Straßenbild allgegenwärtig und treten oft in Kombination auf.



    Auch die Vegetation im feucht-heißen Gebiet um Tarsus ist gänzlich anders, als für den Norddeutschen gewohnt. Was bei uns der Alleebaum, ist in Tarsus die Mittelstreifenpalme ;)



    Wegen eben dieses feuchtheißen Klimas kommen neuartige Gebäude nicht ohne Klimaanlage aus (ratet mal, wegen wem ein namhafter deutscher Zellstofftaschtuchhersteller dieser Tage garantiert nicht pleite geht :mosking: ), und Orte am Wasser, die Kühlung verheißen, sind beliebte Naherholungsgebiete für die Einheimischen, so der Tarsus-Wasserfall und der Tarsus-Staudamm:



    Obwohl ein muslimisches Land, ist Tarsus von Bedeutung für alle drei Abrahamitischen Religionen, denn da es einer der behaupteten Grablegungsorte des Propheten Daniel ist, ist Tarsus auch für die Juden ein bedeutender spiritueller Ort. Diese Bedeutung für Judentum, Christentum und Islam teilt Tarsus also mit der Heiligen Stadt Jerusalem.


    Zu den bedeutenden islamischen Glaubensstätten gehört die Ashab-I Khef, die "Höhle der Sieben Schläfer", mit der über ihr am Berghang gebauten Moschee.



    Für die Christen hingegen ist sicherlich der Paulusbrunnen neben den ausgegrabenen Fundamenten des Geburtshauses des fleißigsten Briefeschreibers des Neuen Testaments bedeutend, ebenso wie die ursprünglich aus dem 11. Jahrhundert stammende Pauluskirche, die heute vom örtlichen American College für Gottedienste benutzt wird und, wie der Brunnen, ein Ziel von Pilgern auf dem Weg nach Jerusalem ist.



    Die religiös bedeutsamen Stätten werden, unabhängig von der Religion, von den Einheimischen geachtet und als wesentlicher Bestandteil ihres kulturellen Erbes angesehen. Groß ist auch der Wunsch, dass sie in Zukunft mehr Menschen nach Tarsus ziehen, das vom Tourismusgeschäft bis heute unberührt ist.


    Wäre Tarsus, auf dessen Gebiet 10000 Jahre ununterbrochener menschlicher Besiedlung archäologisch nachgewiesen sind, nicht dereinst Bestandteil des Imperium Romanum gewesen, wäre Paulus nie nach Rom verbracht worden, denn schließlich stand nur römischen Bürgern das Appellationsrecht beim Kaiser zu. Ach ja, und wo die Römer waren, da gibt es auch Römerstraßen, was sonst? Die im Zentrum von Tarsus ausgegrabene Straße ist insofern eine Besonderheit, als sie mit Basaltplatten gedeckt ist.



    Hier nun ein paar Eindrücke aus der Altstadt von Tarsus:



    Doch auch martialisch geht es zu, wie die 2008 eingerichtete Ausstellung des restaurierten, "berühmtesten Minenlegers der Welt", der 1911 auf der Kieler Germaniawerft für die osmanische Kriegsmarine gebauten NUSRET ("Gottes Hilfe") zeigt. 1915 verminte dieses Schiff die Dardanellen und trug so wesentlich zum Scheitern des britisch-französischen Versuchs zur Erzwingung der Meerengen bei. Das angeschlossene Museum fokussiert auf die Sinnlosigkeit von Krieg, indem es die Leiden auf beiden Seiten während der blutigen Kämpfe bei Gallipoli anhand von geborgenem Schlachtfeldschrott darstellt.



    Abendliche Entspannung nach den ersten beiden Tagen gab es dann am mondänen Yachthafen der Nachbarstadt Mersin, in der die Lehrer von den an dem Projekt beteiligten Schulen untergebracht waren.



    Der Höhepunkt der Tour war der ganztägige Ausflug in die alte, kulturgeschichtlich bedeutsame Region Kappadokien und zur UNESCO-Welterbestätte in Göreme, einem in den Tuffstein gehauenen frühchristlichen Kloster mit zahlreichen Felsenkirchen, die im Laufe der Jahrhunderte teilweise durch Erosion nach außen geöffnet worden sind. Die bizarren, manchmal auch etwas unanständig wirkenden Gesteinsformationen Kappadokiens gehen auf Vulkanausbrüche zurück. Das helle Gestein ist weicher, extrem erosionsanfälliger Tuff, während das obenliegende dunkle Gestein widerstandsfähiger Basalt ist. Dieser schützt den Tuff vor Erosion - sobald eine Basaltkappe abfällt, beginnt der Tuff zu erodieren - irgendwann wird die ganze Gegend also Flachland sein und auch das Kloster Göreme nur noch Geschichte. Aber keine Angst: So lange leben wir alle nicht, um das erleben zu müssen... ;)





    Leid tun können einem allerdings die Dromedare, die in Kappadokien allerorten als Reittiere für Touristen herhalten müssen, stets im Kreis laufend. Zerzottelt, teils von Geschwüren befallen, fristen sie ein trauriges Dasein, stets darum bemüht einen Rest an Würde zu bewahren... ;(



    Am letzten Tag ging es schließlich längs der Küste



    in Richtung Westen, u.a. in die "Asthmahöhle" genannte Tropfsteinhöhle mit ihren bizarren Steinformationen:



    Mittag gab es in einem Restaurant direkt an einer einladenden Bucht,



    wo wir von einem starken Schauer überrascht wurden und uns allesamt glücklich schätzten, anders als in dem benachbarten Speiselokal unter einem festen Dach zu sitzen...


    ;)


    Den Abschluss unserer Erkundungen in der Umgend von Tarsus war schließlich der Besuch der Eidechsenbevölkerten Inselfestung Kiskalezi:



    Insgesamt war es eine eindrucksvolle und lehrreiche Fahrt, besonders auch für die Schüler, die in "ihren" türkischen Familien quasi als "Vollmitglieder" aufgenommen wurden und voll des Lobes waren. Gleichzeitig hat sie aber das zeitweilige Leben in einer anderen Kultur und in anderen sozialen Verhältnissen auch sensibler dafür gemacht, dass es uns in Deutschland wirklich sehr gut geht und vieles, was wir als selbstverständlich ansehen, eben nicht selbstverständlich ist.

  • Da habt Ihr aber mit Euren Schülern eine ganz besondere Reise gemacht! Alle Achtung!!! War das im Rahmen eines Austauschs oder Geschichts-, bzw. Religionsunterrichts?


    Danke für die schönen Bilder und den sehr informativen Bericht!


    Du kannst meinetwegen gerne noch mehrere solche Reisen mit Deinen Schülern machen, oder auch ohne,...........das ist dann wohl etwas entspannter ;)

    Liebe Grüße
    little.point Claudia


    :ilhr:


    Meine Reiseberichte: siehe Profil

  • Das Ganze findet im Rahmen eines multilateralen Comenius-Projekts statt, von dem ich hier schon einmal berichtet habe. Insgesamt sind wir sieben Partnerschulen, die auf zwei Jahre zusammenarbeiten und aus Rumänien, Bulgarien, der Türkei, Polen, Frankreich, Italien und Deutschland kommen. Die Treffen dienen v.a. dem Austausch der Ergebnisse der Arbeit zu Hause, aber auch dem Kennenlernen der Kultur und Geschichte des Gastgeberlandes bzw. der Gastgeberregion, denn das ist unser Projektthema.

  • Sehr interessante, geschichtsträchtige Gegend in die nicht gleich jeder kommt! Kann mir vorstellen dass die Schüler beeindruckt waren.

    Meine Fahrten: FINNMARKEN - NORDLYS - NORDNORGE - KONG HARALD - VESTERÅLEN - LOFOTEN (5X) - FRAM

    Reiseberichte siehe Profil !


  • Oh ja, die wären auch gerne noch länger geblieben! Insgesamt haben sich die Schüler prima aufgeführt und die Unterschiede der Lebensverhältnisse als Bereicherung empfunden. Besonders beeindruckend für sie war, dass sie als "Vollmitglieder" in ihren Gastfamilien aufgenommen worden sind und mit aller Herzlichkeit behandelt wurden; das hatten sie so nicht erwartet. Jetzt wollen sie auf alle Fälle den Kontakt halten, was für mich den Wert solcher Begegnungen unterstreicht. Gut, dass sowas heute möglich ist!

  • Die Schule meiner Tochter machte auch Schüleraustausch mit der Türkei und sie waren immer voll des Lobes. Ich denke so etwas dient wirklich der Verständigung und gerade mit der Türkei, wo doch manchmal das Zusammenleben hier nicht immer einfach und manchmal etwas belastet ist.

    Meine Fahrten: FINNMARKEN - NORDLYS - NORDNORGE - KONG HARALD - VESTERÅLEN - LOFOTEN (5X) - FRAM

    Reiseberichte siehe Profil !


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