80°N - Mein Bordtagebuch

  • Wenn jemand sieben Monate braucht, um einen Reisebericht zu schrieben, dann ist entweder der Schreiberling schrecklich langsam, oder der Bericht entsetzlich lang :pillepalle: Bei mir hat diese Verzögerung noch andere Gründe, die da sind: Eine Augenoperation, die Hochzeit der Tochter, die Geburt eines Enkels und jede Menge Arbeit im Büro.


    So und nach dieser Einleitung kanns nun endlich losgehen mit dem ersten Teil von

  • Das ist total egal. wir nehmen das wie es kommt. Und von der Nordstjernen sowieso !! WEIDA !!

    Es grüßt Capricorn :hut:


    7/11 RW // 3/12 NX // 7/12 FM/VE // 3/13 VE // 1/14 TF // 3/14 LO // 7/14 NX // 4/16 FR // 3/18 VE // 7/19 FR


  • 27 Mai 2012 - Pfingstsonntag


    Unser Svalbard Reiseabenteuer hat heute Früh eigentlich ganz ähnlich begonnen wie die Nordlandreise vor zwei Jahren*, mit der Bahnfahrt
    Dornach, Basel, Zürich-Flughafen.
    *Juli 2010 Bergen - Kirkenes - Bergen mit MS Nordstjernen
    Jetzt sitzen wir seit einer knappen halben Stunde im Flieger nach Kopenhagen. Ich habe mir glücklich einen Fensterplatz ergattert.
    Über Frankfurt ziehen flache weiße Wolken, mit etwas Fantasie sind es auf dem Meer treibende Eisschollen.
    Nach Braunschweig fliegen wir dann über eine geschlossene Wolkendecke, die sich erst kurz vor der Nordsee Küste wieder auflöst.
    Bei völlig wolkenlosem Wetter fliegen wir Kopenhagen an. Gut sichtbar die vielen Windräder im Öresund und die lange Brücke nach Malmö die hier im Nichts zu enden scheint, da sie auf der dänischen Festland Seite von einem Tunnel aus erreicht wird.


    Der heutige Tag steht im Zeichen des Wartens, erst um 16.20 geht es endlich weiter. Dank dem Begleiter der kranken Dame im Liegebett bekomme ich auch im Flieger nach Bergen wieder einen Fensterplatz. Die Seenlandschaft des Kattegat sehe ich diesmal nicht. Dafür ist die norwegische Südküste weitgehend wolkenfrei. Schon bald tauchen schneebedeckte Berge auf. Die Landschaft sieht wunderschön und viel winterlicher aus als im Juli vor zwei Jahren. Für die ruhige Landung in Bergen bekommt der Pilot einen spontanen Applaus.


    Am Baggage Claim herrscht nun große Spannung: ist unser Gepäck diesmal mitgeflogen?
    Mamies Koffer mit dem farbigen Band den ich beim Ausladen aus dem Flieger bereits gesehen hatte, kommt als einer der ersten, aber mein graues Ungetüm ist wieder mal nicht dabei. Es folgt die bekannte Prozedur am Reklamations-Schalter vor dem sich bereits ein ganzes Häufchen kofferloser Menschen angesammelt hat. Die Auskunft lautet, wie beim letzten Mal: vermutlich in Kopenhagen hängen geblieben. Wird morgen bis spätestens 13 Uhr ins Hotel geliefert. Ansonsten direkt aufs Schiff. Zum Glück habe ich das Nötigste im Rucksack und mein Magen, der heute morgen etwas rebelliert hat, scheint sich auch wieder beruhigt zu haben. Bin froh, dass ich meine ganze Foto und Film Ausrüstung, inklusive Ladegeräte bei mir habe.


    Die Flybus Fahrt vom Flughafen zum Fischmarkt kostet jetzt 100 Nok. Auf der Suche nach dem Hotel sehen wir die Nordstjernen am Kai
    liegen, und das Hotel finden wir dann gleich in der Gasse eine Häuserreihe weiter oben. Zum Abendessen gibt’s ein Fischbrötchen in einer der letzten Buden die am Fischmarkt noch offen haben.
    Auf unserem kleinen Abendspaziergang erkunden wir die heimlichen Winkel hinter den Fassaden von Bryggen.


    Schon bei unserer Ankunft hatten wir mehrere Oldtimer herumkurven sehen. Hier am Kai steht nun eine ganze Reihe der ehrwürdigen
    Fahrzeuge und wird von den Passanten andächtig bestaunt. Auch ein paar schwere Motorräder Typ Easy Rider, stehen in der Nähe der Bierhalle. Bergen macht ganz auf Nostalgie.

  • Kleine Korrektur, Skippertje. Pfingstsonntag 2012 war am 27. MAI !

    Es grüßt Capricorn :hut:


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  • Oooops! Wie ist denn das passiert?
    Da war wohl ein kleiner Troll im Spiel. In meiner Vorlage steht es richtig drin.
    Vielen Dank für die Korrektur.
    Und keine Sorge EGBW

  • Montag, 28. Mai – Pfingstmontag


    Strahlender Sonnenschein, etwas windiger und kühler als gestern. Wir spazieren gemütlich am Strandkai. Die Nordstjernen steht schon da, aber an Bord können wir erst ab 16 Uhr. Mittagessen gibt es vor dem neuen Fischmarktgebäude, wo man in der Sonne sitzen kann.
    Mein Gepäck ist noch nicht ins Hotel geliefert worden, aber inzwischen ist es an der Zeit dort auszuchecken und sich zur Anlegestelle des Schiffes zu begeben. Vielleicht ist der Koffer ja bereits an Bord!
    Diese Hoffnung stellt sich jedoch bald als nichtig heraus. Wir beziehen also erstmal unsere kleine Kabine, 220 die selbe wie vor
    zwei Jahren und gehen dann gleich an Deck, um das Ablegen nicht zu verpassen.
    Unter den Passagieren scheint es mehrere „Wiederholungstäter“ zu haben. Heiko und Helga aus Friesland haben die Hurtigruten Strecke bereits mehrmals befahren und waren auch schon auf der Nordstjernen.


    Die Good Old Lady wurde für ihre letzte Saison auf Hochglanz poliert. Eine neue Schicht Schiffslack verdeckt jegliche Spur von
    Rost mit elegantem Tiefschwarz und verleiht ihrem Aufbau strahlende Weiße. Die Planken des Achterdecks glänzen wie Parkett der edelsten Sorte.


    Unsere Tischnachbarn kommen aus Großbritannien.
    Seltsamerweise haben wir uns auf der ganze Reise nicht namentlich vorgestellt, und so sind die beiden jungen Männer für uns anonym geblieben. Wir erfahren aber, dass sie Naturwissenschaftler sind und dass der große, etwas orientalisch
    aussehende Typ Bulgare ist und letztes Jahr mit der MS Fram eine Antarktis Tour gemacht hat. Er freut sich an den guten Mahlzeiten genauso wie an der schönen Landschaft und fotografiert alles leidenschaftlich, immer im dreifach Repetier Modus: Klick-Klick-Klick!


    Um 20.30 ist die Schiffsinfo angesagt. die Crew stellt sich vor. Kapitän ist Tormod Karlsen, Reiseleiterin Berit Meiselbach und Hotelchef Jon Are Husby, den wir bereits von unserer letzten Reise kennen, auch der Schiffsmechaniker ist derselbe wie beim letzten Mal.


    Zur Seenotübung um 22 Uhr begeben wir uns folgsam zu dem für unsere Kabinenreihe vorgesehenen Platz an Steuerbord vor den
    Rettungsbooten. Alles steht erwartungsvoll da und harrt der wichtigen Dinge die da nun erklärt werden sollen. Aber nichts dergleichen geschieht, der Steward lächelt etwas verlegen. „Vorschrift“ sagt er „wir müssen das machen. Das war’s schon, Sie können jetzt einfach wieder reingehen, wenn Sie wollen“. Und die meisten wollen das auch, denn es bläst doch ein recht kühler Wind. Wir haben eine offene Meeresstrecke vor uns.
    Der Himmel ist wolkenlos, am westlichen Horizont leuchtet noch das Rot der soeben untergegangenen Sonne.


    (EGBW, aber jetzt erst mal eine Runde Schlaf)

  • Danke, dass Du mit dem Bericht erst jetzt durchstartest, nachdem die so besonders vielen Live-Berichte etwas weniger werden. Da kann man das noch ganz anders genießen!
    Dein Schreibstil gefällt mir!
    Also bitte - bald WEIDA!

  • Danke, dass Du mit dem Bericht erst jetzt durchstartest, nachdem die so besonders vielen Live-Berichte etwas weniger werden. Da kann man das noch ganz anders genießen!

    Ja, da wollte ich eben nicht hineinfunken mit meinem Bericht aus einer völlig anderen Saison. Das ist ein weiterer Grund, warum ich nicht bereits im Dezember damit begonnen habe. Und hier geht's nun einen Tag weiter:


    Dienstag, 29. Mai


    Um 7 Uhr blinzle ich in den hellen Sonnenschein, der sich in dunklem, ruhigem Wasser spiegelt. Wir sind soeben in den Aurlandsfjord eingefahren.
    Hohe Berge ringsherum. Vor uns liegt Flåm eine handvoll Häuser ist zu sehen, am Landesteg davor ein riesiger, weißer Koloss. Es ist die Costa Fortuna, die sich in einer endlos scheinenden Prozedur ihrer Fahrgäste entledigt. Deshalb also können wir hier nicht am Kai anlegen und unsere Landgänger einen werden per Boot an Land gebracht. Geplant ist eine Fahrt mit der Flåmbahn, der berühmten Eisenbahn, die hoch oben von Flåm nach Myrdal und dann über Bergen bis nach Oslo führt. Es soll eine wunderschöne Strecke sein, aber wir möchten das
    Nordstjernen Bord Erlebnis voll ausnutzen und machen es uns deshalb an Deck gemütlich, während das Schiff friedlich im ruhigen Wasser dümpelt.
    Zwischendurch gehe ich mal an die Rezeption, wo ich endlich Nachricht von meinem Koffer erhalte: Er ist soeben in Bergen angekommen und wird hoffentlich morgen nach Ålesund gebracht. Dort werden wir morgen Nachmittag anlegen, also richte ich mich darauf ein, noch weitere anderthalb Tage aus dem Rucksack zu leben. Nachdem unsere Ausflügler wieder an Bord sind, geht die Fahrt weiter in den Næroyfjord bis Gudvangen. Nach diesem Abstecher geht es wieder in den Sognefjord, zurück an die Küste und dann nordwärts Richtung Florø.


    Einmal sieht es aus, als wolle sich ein Gewitter zusammenbrauen, aber die drohenden, grauen Wolken bleiben hinter den Bergen zurück und gegen Abend wird es wieder ganz schön. Wir stehen an Deck und genießen die Fahrt, bis Zeit zum Schlafengehen ist.


    In der Kabine habe ich mein Kopfkissen ans Fußende des Bettes umplatziert. Jetzt kann ich vor dem Einschlafen oder beim Aufwachen
    bequem aus dem Bullauge schauen, ohne mich aufrichten zu müssen und mir dabei jedes Mal den Kopf an der Eisenrippe anzustoßen. Solange es nicht arg schaukelt ist das eine prima Lösung.

  • Hallo Skippertje, mit der Flåmbahn hast Du Adir aber ein Highlight entgehen lassen. Übrigens, die Flåmbahn verbindet Flåm mit Myrdal und führt nicht selbst weiter über Bergen nach Oslo. Myrdal ist eine Station auf der Strecke der BERGENBAHN, die Bergen und Slo verbindet. ;)

    Es grüßt Capricorn :hut:


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  • Lieben Dank :sdanke: für Deinen so lebendigen Bericht!
    Du schläfst also "oben" ;)
    Deine wunderbaren Bilder machen schon wieder Lust auf Frühjahr und Grün - und das, obwohl der Winter wohl erst noch kommt...


    erwartungsvolle Grüße!

  • Hallo Skippertje, mit der Flåmbahn hast Du dir aber ein Highlight entgehen lassen.


    Ja, da hast du recht, bei dem Superwetter wäre es bestimmt eine einmaliges Erlebnis gewesen. Was in meinem Bericht fehlt, ist die Angabe, dass die Fahrt für unsere Passagiere aus uns unbekannten Gründen leider gar nicht stattgefunden hat.
    Ob das vielleicht am grossen Andrang der Costa Fortuna Paxe lag?

    Übrigens, die Flåmbahn verbindet Flåm mit Myrdal und führt nicht selbst weiter über Bergen nach Oslo. Myrdal ist eine Station auf der Strecke der BERGENBAHN, die Bergen und Oslo verbindet.

    Danke für die Präzisierung Capricorn.
    Ich war mir da in der Tat nicht so sicher.
    Unsere Schweizer Bekannten der Reise von 2010 sind mit der Bahn von Bergen nach Oslo, leider hatten sie fürchterliches Wetter und waren deshalb etwas enttäuscht von diesem nebelverhangenen Ausklang ihrer Reise, während wir unseren letzten Tag in Bergen bei strahlenden sommerwetter geniessen durften.

  • Danke für den Bericht und die schönen Bilder! Ist keineswegs daneben, Berichte sind immer gut und dieser ist ein ganz besonderer. Schade eigentlich, dass ich nie mit der Nordstjernen gefahren bin. :thumbup:

  • Du schläfst also "oben"

    Ja, meine Mamie klettert mit ihren 80 Jahren nicht mehr so gerne um in die Koje zu gelangen, aber sonst ist sie noch topfit.
    Und weiter geht's mit dem nächsten Reisetag:



    Mittwoch, 30. Mai


    Dank meinem Bett mit Meeresblick stelle ich beim Aufwachen um 6 Uhr gleich fest, dass wir uns bereits im Storfjord befinden.
    Hohe Felsen ziehen langsam am Kajütenfenster vorbei.
    Zwei Stunden später, gegen 8 Uhr kommen wir in Geiranger an. Auch hier können wir nicht anlegen, weil gleich zwei der riesigen Costa
    Schiffe da sind und den Platz belegen. Wer zum Adlerblick will, wird mit dem Boot ausgetendert. Unser stämmiger Tischnachbar geht natürlich auf „Adlerjagd“, aber wir waren ja vor zwei Jahren schon dort oben am Ørnevegen, wo es zwar keine Adler gibt, man aber einen wunderschönen Blick auf den Fjord und die Wasserfälle hat. Die Sieben Schwestern und den ihnen gegenüber über die Felsen rauschenden Bräutigam habe ich diesmal gefilmt. Auch das Treffen mit Kong Harald musste mittels Bewegtbild und natürlich mit Ton festgehalten werden.Fotoapparat und Videokamera habe ich ständig griffbereit, da ich die Reise ja so vollständig als möglich dokumentieren möchte.
    Meine Wetterprognose erweist sich bis jetzt als zutreffend: es ist wechselnd bewölkt bei etwa 13°C. Im Laufe des Morgens tut es dann zusehends auf, während wir wieder aus dem Sunylvsfjord in den Storfjord fahren und dann Kurs auf Ålesund nehmen, scheint die Sonne.
    Gegen vier Uhr legen wir in Ålesund an. Mal sehen, ob mein Koffer schon da ist, sage ich mir und gehe an Deck. Am Kai, unter der Aufschrift „Velkomen
    in Ålesund“ steht ein roter Lieferwagen von Flybus. Meine Hoffnung steigt. Ein rotblonder, junger Mann steigt aus und holt tatsächlich mein graues Ungetüm aus dem Auto. Ich juble auf, er sieht’s, tut so als würde er in wieder zurück in den Kofferraum stellen und lacht schelmisch. Alle an Deck freuen sich mit mir.
    Jetzt können wir ja guten Mutes die Stadt erkunden,ausgepackt wird dann nachher. Es findet keine Führung statt, wir bekommen einen Stadtplan und marschieren damit los.
    Wunderschön sind all die Jugendstilbauten und die kleine Kirche mit den großen grau-rosa Marmorquadern. Ein kleiner Spitz (Skippertje) guckt munter aus dem Rucksack einer an der Bushaltestelle wartenden jungen Frau. Plötzlich eine Menschenmenge mit Megaphon und Spruchbändern auf denen in großen Buchstaben „Streik“ geschrieben steht. Es sind vornehmlich junge Leute dabei, aber wir verstehen natürlich nicht um was es da geht. Wieder zurück an Bord packe ich kurz meine Kleider in den Schrank. Beim Ausfahren verpasse ich leider die Ansicht von Ålesund im Abendlicht, denn unser Tischnachbar will unbedingt, dass ich mitkomme, wenn er den Spitzbergen Travel Guide Heiko zu einer Extratour zu den Walrossen bittet. Der Reiseführer wendet ein, dass Fahrplan und Landgänge strengen Regeln unterstehen, Ausnahmen liegen da nicht drin. Ich kann das verstehen, aber mein Tischnachbar ist ziemlich enttäuscht. Immerhin erfahre ich bei dieser Gelegenheit, dass Moffen, nach dem wärmsten Svalbard Winter seit Menschengedenken, bereits völlig eisfrei ist. Der Fahrt dorthin steht also nichts im Wege, und so können wir hoffen die Tiere dort zu Gesicht zu bekommen.
    Der Streckenabschnitt den wir jetzt fahren ist neu für uns, denn nordgehend sind wir auf der letzten Reise mit dem Bus von Geiranger über Eisdal, Trollstigen, Åndalsnes nach Molde gefahren und südgehend haben wir Stadhavet bei Nacht durchfahren. Mit dem Sonnenschein ist es jetzt allerdings vorbei, graue Wolken kommen auf, vor den Bergen hängen Regenschleier aus denen ein zartfarbener Regenbogen schimmert.

  • Donnerstag, 31. Mai


    Wir sind in aller Frühe in den Trondheimfjord eingefahren und legen bereits um 8.00 in der ehemaligen Hauptstadt an. Der Himmel ist recht unfreundlich heute, hin und wieder regnet es leicht, bei einer Temperatur von etwa 5°C, also ziemlich frisch.
    Wir ziehen uns warm an und machen einen kleinen Spaziergang zur Gammle Bybrø und den schönen, farbigen Speicherhäusern längs der Nidelva.
    Mamie fühlt sich leider etwas schlapp und ist eine wenig durcheinander. Sie will mir einfach nicht glauben, dass wir, wenn wir wieder zum Hafen zurück wollen, noch mal über die Brücke müssen, nachdem wir den Fluss oben beim Tor zum Glück überquert haben. Wir sind auch viel zu früh wieder auf dem Schiff, die neue Uhr ohne Ziffern hat eben doch ihre Tücken.
    Beim Wendemanöver zum Ablegen drückt unsere Good Old Lady ihr Heck an die Kaimauer, als wolle sich sie daran zum Start abstoßen (Bild 5).
    Inzwischen ist es Mittag geworden, man ruft zu Tisch, aber Mamie will nichts essen und legt sich ins Bett, mir scheint fast, als hätte sie ein wenig Fieber.
    Zusammen mit der Kong Harald fahren wir durch den langen Trondheimfjord, um Frohavet und dann schließlich aufs offene Meer hinaus. Es ist ganz ruhig, nur eine leichte Dünung ist zu spüren. Graue Regenwolken schieben sich immer wieder vor die Sonne, Licht, Farben und Stimmung wechseln in kurzen Abständen, einmal streut ein Graupelschauer kleine weiße Körnchen aufs Deck, es ist ein richtiges Wetterschauspielzu dem auch ein wandernder Regenbogen gehört, den ich in die Videokamera bekomme. Leider hat Mamie nichts davon, sie liegt mit rotem, heißem Kopf und eiskalten Füssen in der Koje. Husby und ein anderer Officer kommen auf meine Bitte vorbei und verabreichen ein paar Tabletten. Wenn es der Noro Virus ist*, sagt Heiko dann dauert es zwei Tage. So was von Pech, jetzt krank zu werden, wo wir doch morgen auf den Lofoten sein werden. Bleibt nur zu hoffen, dass die Tabletten helfen.
    Bei Rørøy lassen wir Kong Harald zurück. Wir werden bis Ørnes der Küste bis folgen, danach geht es dann nordwestlich Richtung Lofoten. Die Stimmung ist graublau. Tief hängende Wolken und Regenschleier verhindern die Sicht auf die Berge im Westen und die unzähligen Inselchen des Vega Archipels. Auch der Torkhatten ist durch die regenschwere Luft nur verschwommen zu erkennen.


    * war es zum Glück nicht

  • Freitag, 1.Juni


    In den frühen Morgenstunden überqueren wir den Polarkreis. Noch fahren wir der Küste entlang nordwärts, aber im Laufe des Morgens wendet das Schiff und nimmt Kurs NW auf die südliche Spitze der Lofoten.
    Zum Glück hat Mamie ihre Krankheit über Nacht ausgeschlafen und auch das Wetter hat sich mächtig gebessert. Wir sind jetzt auf offener See und lassen die Wolken in den Nordland Bergen und an den Inseln Landegode und Fugløya hängen. Hier draußen geht kein Windhauch, das nur vom Schiffskiel bewegte Wasser glitzert in der Sonne wie tausend Diamanten.
    Für zehn Uhr ist die Polarkreistaufe angesagt. Diesmal kann ich alles in Bild und Ton festhalten. Neptun kommt, wie vor zwei Jahren, mit seinen zotteligen Haaren, der Wollmütze, den orangefarbenen Gummihosen und dem Dreizack aus dem Unterdeck gestiegen, schüttelt Kapitän Karlsen die Hand und beginnt dann mit seiner Suppenkelle den Täuflingen Eiswasser in den Kragen zu gießen. Berit, die ihm assistiert, ist mit ihrer Holzkelle recht großzügig, das bekommt auch Guide Heiko zu spüren. So etwas schreit natürlich nach Rache, und es gibt keine Ruhe, bis auch sie ihren Teil abbekommt.
    Langsam tauchen vor uns die Ausläufer der prächtigen Lofotenwand auf. Bevor wir Reine anlaufen, fahren wir am 500 Nasen Fischerdorf Henningsvær vorbei, viele hübsche Rorbuer (Fischerhütten) und eine wunderschöne Brücke zieren den kleinen Ort.
    Nun steuern wir auf Reine zu, das malerische Dorf liegt auf einer Insel, umgeben von eindrucksvollen Bergen. Wir haben etwas Zeit für einen kleinen Erkundungsgang, der uns zunächst an einem ‚Wald’ von Holzgestellen vorbeiführt, an denen die Stockfische zum Trocknen aufgehängt werden. Diese sind offenbar gerade ‚reif’ und werden soeben ‚geerntet’. Es klingt als wären es Holzstücke, wenn die dürren Fische zu Boden fallen. Lustig ist das Schild welches hier Campieren verbietet, das wurde wohl extra für Leute mit unempfindlichen Geruchsnerven angebracht,
    denn Fisch bleibt Fisch, auch wenn er trocken isch. Die Baracken der Arbeiter stehen denn auch in gebührender Entfernung, dass sie mit kräftigen Seilen an Felsbrocken befestigt sind, erinnert uns daran, dass das Wetter auf den Lofoten nicht immer so freundlich ist wie heute. Jetzt ist es allerdings so friedlich, dass man kaum laut zu sprechen wagt.
    Am Bootshafen sehen wir nun die typischen, auf Holzpfählen stehenden Rorbuer von nahe. Hin und wieder auch eines der traditionellen Holzboote mit dem elegant geschwungenen Bug.
    Auf den Planken des Bootsstegs liegt eine Seeigelschale, weiter vorne auf einem Stein am Wegrand hat jemand einen hübschen rosaroten Seestern deponiert. Ich staune immer wieder, was in diesem dunklen, kalten Wasser alles lebt. Auf dem Rückwegfinden wir schöne grüne Mineralien, es ist Olivin, wie sich später herausstellt. Und was haben wir denn da: Eine Versteinerung? Mein sensationeller Fund stellt sich jedoch bald als banale Spur eines Drillbohrers heraus. Auch das kuschelweiche junge Hündchen, das neugierig wissen will, was ich da am Boden spannendes entdeckt habe, verzieht enttäuscht die Nase.
    Wir fahren weiter, entlang der Lofotenwand, nach Svolvær. Nachdem wir am Hausberg von Reine bereits einige Fischadler haben kreisen sehen, möchten wir die großen Vögel nun auch von näher betrachten, und machen uns deshalb zur die Adlersafari auf. Am Bootssteg angekommen, müssen wir zuerst mal in einen wasser- und winddichten Overall steigen, damit bewegt man sich dann mit der Grazie eines fetten Pinguins, aber man bekommt bestimmt nicht kalt und geht auch nicht gleich unter falls man das Pech hat ins Wasser zu fallen. Mit dem Motorboot geht es nun entlang der bekannten Rorbuer Reihe, unter der Brücke durch, und an der steinernen Svolværsgeita mit ihren Felshörnern vorbei, ins Reich des Königs der Lüfte.
    Die Landschaft ist großartig, so schön, dass sich nur schon deshalb der Ausflug lohnt. Vom kleinen Boot aus sehen die schroffen Felsen noch viel eindrücklicher aus. Nach etwa einer halben Stunde können wir dann auf einer kleinen Schäre einen Adler sitzen sehen. Leider scheint er überhaupt keinen Hunger zu haben und schaut eine gute Weile völlig desinteressiert zu, wie die Möwen sich gierig um die Fische streiten die wir für ihn ins Wasser werfen. Wir wollen schon wieder umkehren, denn die Zeit läuft, als er sich dann doch in die Luft erhebt, zweimal um seine Felseninsel kreist und sich dann in elegantem Sturzflug den Fisch schnappt. Phantastisch! Ich habe natürlich meine neue Videokamera im Einsatz, aber ich bin mit dem Ding noch nicht so vertraut und das Filmen von so bewegten Objekten muss ich wohl noch ordentlich üben. Die Brille und das noch zu operierende Auge sind zusätzliche Handicaps. Das Resultat ist dementsprechend ziemlich unbefriedligend.
    Bevor wir wieder zum Schiff zurück fahren besuchen wir noch den Hafen einer hübschen kleinen Ortschaft deren Namen ich leider vergessen habe. Auf den Steinen des Wellenbrechers sind zwei „Augen“ in schwarz weißer Farbe aufgemalt.
    Während wir anschließend beim Abendessen sitzen, verlässt die Nordstjernen den Hafen von Svolvær. Also schnell wieder an Deck, um die Fahrt durch den herrlichen Raftsund nicht zu verpassen. Leider ist der Himmel ziemlich wolkig und die schneebedeckten Gipfel der Berge heben sich kaum von den weißgrauen Wolken ab, die zudem immer dichter werden. Wir fahren in den Trollfjord, seltsam, dass mir die Strecke diesmal viel kürzer vorkommt. Berit geistert als Troll verkleidet auf Deck herum und verteilt Trollbonbons. Wie macht sie das bloß, dass sie nicht kalt hat? Mich friert nur schon beim Anschauen ihrer bloßen Arme und Beine. Natürlich gibt es wieder Trollsuppe und einen Trollpunsch im Original Trollfjordbecher. Der Becher ist genau derselbe, aber der Punsch ist weitaus besser, richtig lecker, mit Rum, Schokolade und Sahne. Das Trollfjord Panorama ist auch beim dritten Mal noch sehenswert, aber die magische Stimmung die wir auf unserer ersten Fahrt hier erleben durften war wohl ein einmaliges Erlebnis. Die Weiterfahrt scheint sich nun eher unspektakulär zu gestalten, der Himmel ist überzieht sich mit Wolken und das wird immer diffuser. Kurz nach Mitternacht verziehen wir uns in die Koje. Ich entdecke jetzt, warum mein Handy in der Hosentasche den ganzen Abend lang so kläglich gepiepst hat, obwohl ich es doch ausgeschaltet hatte. Ich muss es beim Hinein- oder Herauswursteln aus dem Overall eingeschaltet und dann dreimal versehentlich irgendwelche Tasten gedrückt haben. Jetzt will es, dass ich den PUK Code eingebe, der liegt natürlich zuhause irgendwo in einer Schublade. Ich
    versuche es mit dem PIN, natürlich falsch, Schwupps ist das Ding für die nächsten zwei Wochen gesperrt. Ich tröste mich mit dem Gedanken dass mir auf
    diese Weise wenigstens die teuren norwegischen Roaming Kosten erspart bleiben. Jetzt bin ich aber wirklich total offline, denn auf der Nordstjernen gibt es keinen Internet Zugang für Passagiere.

  • Das nenne ich Urlaub. Komplett offline ohne Verbindung zur Außenwelt. Traumhaft. Und tolles Wetter hättet ihr an den Lofoten. Und einen schönen Zick-Zack-Kurs habt ihr auch gemacht, an Henningsvaer vorbei nach Reine und dann den ganzen Weg wieder zurück nach Svolvaer. Das war ja Lofoten satt. :thumbup:

    Es grüßt Capricorn :hut:


    7/11 RW // 3/12 NX // 7/12 FM/VE // 3/13 VE // 1/14 TF // 3/14 LO // 7/14 NX // 4/16 FR // 3/18 VE // 7/19 FR


  • Das nenne ich Urlaub. Komplett offline ohne Verbindung zur Außenwelt. Traumhaft. Und tolles Wetter hättet ihr an den Lofoten.

    Ja das war in der Tat Urlaub total und bezüglich Wetter einfach ein Glücksfall. Auf unserer Reise 2010 haben wir südgehend von den Lofoten kaum etwas gesehen vor lauter tief hängenden Regenwolken.

    Zitat

    ... Und einen schönen Zick-Zack-Kurs habt ihr auch gemacht, an Henningsvaer vorbei nach Reine und dann den ganzen Weg wieder zurück nach Svolvaer. Das war ja Lofoten satt. :thumbup:

    Der Zick-Zack-Kurs lag wohl daran, dass wir jede Menge Zeit hatten. Die See war ein Ententeich, aber in die Zeitkalkulation sind wohl andere Wind und Wellenverhältnisse einbezogen worden. Man merkte es daran, dass wir manchmal richtiggehend trödelten, also extrem langsam führen. Zeitplanmässig wurde hin und wieder etwas improvisiert und die Tagespläne waren viel weniger präzise als bei der regulären Hurtigruten Fahrt letztes Mal.


    So, und jetzt mach ich mal gleich weiter, damit mein Bericht nicht auseinanderfällt.


    Samstag, 2. Juni


    Heute ist früh Tagwacht. Bereits um 6,00 stehen wir an Deck und warten auf den Vogelfelsen. Die Felseninsel Bleiksøy liegt in einem kleinen Sund gegenüber der Ortschaft Bjarkøy. Hier brüten riesige Kolonien von Dreizehenmöwen, Alken, Trottellummen und Papageientaucher. Vielstimmiges Vogelgeschrei begrüßt uns schon von weitem. Tausende von Vögeln sitzen da wie aufgereiht, es sieht aus als seien die dunklen Felswände mit Perlenschnüren verziert. Auf einem hellen Felsbrocken strecken schwarze Kormorane ihre Flügel zum Trocknen aus.
    Trotz der frühen Stunde bleiben wir an Deck, den jetzt kommt meine Lieblingsstrecke.
    Finnsnes ist viel größer als ich es in Erinnerung hatte. Diesmal legen wir aber hier nicht an, sondern fahren direkt unter der Trangstraumen Brücke durch in den Gisund. Die Spiegelbilder in dessen stillem Wasser sind kaum von den Wolken am Himmel zu unterscheiden. Doppelte Landschaft, oder wo ist Himmel, wo ist Erde?
    Plötzlich tauchen ein paar Schweinswale auf, bieten ein kurzes Spektakel vor dem Bug und sind dann ganz schnell wieder verschwunden.
    Das Wetter ist etwas besser, hin und wieder scheint die Sonne und die Temperatur ist recht angenehm.
    Mein Lieblingsberg Jakobnjargga steht in voller Pracht da, seine Einschnitte sind durch
    den Schnee sogar noch deutlicher sichtbar, obwohl ein paar Wolken um seine Zackenkrone hängen. Ich sehe, dass sich an seinem Fuß
    ein kleiner Ort befindet, es müsste Andansnes sein.
    Kurz nach 13 Uhr kommen wir in Tromsø an. Der geführte Stadtrundgang zu Fuß hätte uns interessiert, ist aber wegen mangelnder Teilnehmerzahl gestrichen.
    Also werden wir die Stadt auf eigene Faust erkunden. Auf der Suche nach dem Zugang zur Brücke stoßen wir auf die Strasse mit den Marktbuden. Unser Spaziergang über die Tromsøbrua dauert, wie im Reiseführer angegeben gut zwanzig Minuten. Bei der Eismeerkathedrale angekommen, müssen wir die Öffnungszeit abwarten. Wir bewundern die Aussicht und unsere liebe Nordstjernen, die genau gegenüber liegt, und neben Kong Harald, der uns wieder eingeholt hat, ganz klein ausschaut. Die Architektur der Eismeerkathedrale ist eindrucksvoll und das farbige Kirchenfenster auch, was uns beide etwas stört sind die Leuchter und die weiße Wand hinter dem Altar. Beide erfüllen sicher einen Zweck (Beleuchtung, Akustik), passen aber für unseren Geschmack einfach nicht ins Gesamtbild.
    Wieder zurück auf dem Inselstadtteil haben wir noch Zeit für einen Rundgang durch das Zentrum. Alt und Neu lebt hier architektonisch recht harmonisch nebeneinander.Plötzlich kreisen Helikopter über der Stadt und dem Hafen und überall steht schwer bewaffnete Polizei im Einsatz. Was ist denn hier los?
    Wieder ein Streik? Nichts dergleichen zu sehen. Auch am Hafen kann ich nichts Verdächtiges entdecken. Wir erfahren erst später auf dem Schiff, dass Hillary Clinton gerade beim norwegischen Umweltminister auf Besuch war.
    Seite an Seite mit Kong Harald verlassen wir Tromsø. Das große Schwesterschiff unserer Good Old Lady bleibt in unserer Nähe, bis es nach dem Kågsund Kurs auf Skjervøy nimmt, wir aber fahren weiter Richtung Lopphavet.


    Da von jetzt an wegen der langen Tage öfter mal datumsübergreifend berichte (und fotografiere) mache ich hier mal kurz Pause.
    Die letzten Stunden dieses langen Tages bringe ich dann mit dem Sonntag, dann kann ich die Fotos besser einteilen.

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