In der vergangenen Woche war ich einmal in eine ganz andere Richtung unterwegs, als sonst üblich: nach Südosten. Dienstlich ging es zur Vorbereitung eines Comenius-Schulprojekts mit Austrian von Amsterdam via Wien nach Iasi, wo die Kolleginnen und Kollegen der sieben Schulen untergebracht waren. Die Partnerschule liegt 60km außerhalb in Harlau.
Keine Angst: Von den Arbeitssitzungen und Planungsergebnissen will ich hier nicht berichten, sondern lediglich ein paar Eindrücke in eine Gegend der Welt berichten, die für mich bis dato ein weißer Fleck auf der Landkarte gewesen ist.
Rumänien ist ein Land der absoluten, z.T. sogar krassen Kontraste. So finden sich in den Städten hypermoderne shopping malls direkt neben verfallenden Gebäuden, streunende Hunde und Bettler gehören ebenso zum Straßenbild, wie elegant gekleidete Leute mit Luxusklassewagen. Verlässt man die Stadt, so fallen einem sofort die zahlreichen Pferdefuhrwerke auf, gebaut wie die bei uns bekannten Bollerwagen, die für viele Landbewohner die einzige erschwingliche Transportmöglichkeit darstellen; die Zugtiere werden oft vor dem Haus direkt am Straßenrand angeplockt, ebenso wie oftmals die Kuh.
Die baulichen Kontraste sind in der Stadt wie auf dem Land ebenfalls extrem: So stehen Platten- und Betonbauten aus kommunistischer Zeit neben einstmals prächtigen Stadthäusern, die weitgehend heruntergekommen sind, obwohl eine ganze Zahl mittlerweile liebevoll restauriert worden ist und die Pracht des 19. Jahrhunderts demonstrieren. Auch auf dem Land stehen die charakteristischen Holzhäuser mit Brunnen draußen vor der Tür in unterschiedlichsten Unterhaltszuständen nebeneinander, dazwischen stehen Neubauten aber auch Bauruinen, wenn dem Bauherrn das Geld ausgegangen ist.
Sehr zu denken hat zumindest mir der Preisunterschied gegeben, der das absolute Gegenprogramm zu Skandinavien darstellt: Es wird einem quasi alles hinterhergeschmissen: Ein halber Liter Bier kostet im Lokal kaum einmal mehr als € 1,50, zwei Personen werden mit Vorsuppe und Getränken für € 15,-- pappsatt - und das qualitativ hochwertig. Meinem Kollegen und mir ging es stets so, als müsse die Rechnung fehlerhaft sein, so niedrig fiel sie aus - aber nein, alles stand da. Man muss sich allerdings vergegenwärtigen, dass die für uns spottbilligen Preise für die Rumänen sehr hoch sind und sie sich Essen gehen und anderen Luxus in aller Regel kaum einmal leisten können, wenn sie mit ihren niedrigen Einkommen durchkommen wollen. Das gibt schon zu denken und führt einem vor Augen, wie gut es uns geht! Vieles, was für uns selbstverständlich oder normal erscheint, ist es eben nicht unbedingt, wenn man es in die Perspektive setzt.
In diesem Zusammenhang fällt auf, dass die rumänischen Schülerinnen und Schüler, die wir getroffen haben, überwiegend gutes bis sehr gutes Englisch sprechen und sich - wenn sie es hätten - auch ihr drittes Bein ausreißen würden, um es zu verbessern und anwenden zu können. Fremdsprachen sind für die junge Generation der Schlüssel zum Ausland, wo sich bessere Verdienstmöglichkeiten ergeben, als daheim, und so erfreut sich das Fremdsprachenlernen größter Beliebtheit. Dass schon viele Rumänen im Ausland leben und von dort ihre Familien unterstützen, zeigt sich auch im Straßenbild, wo die gelben Schilder eines Bargeldtransferservices allgegenwärtig sind.
Überwältigend war die Gastfreundschaft der Rumänen. In Harlau muss das Comenius-Treffen eine ganz große Nummer gewesen sein, denn die Gruppe von Lehrern aus sieben Ländern wurde nicht nur in der Schule behrüßt, sondern auch vom Bürgermeister, der es sich nicht nehmen ließ, alle am nächsten Tag in einem restaurierten Herrenhaus spontan zum Mittagessen einzuladen und mehrere Stunden mit uns verbrachte. Ganz eindeutig war es für ihn mehr als nur ein Pflichttermin unter vielen.
Ebenso überwältigend ist der Stolz der Rumänen auf ihre Geschichte und ihre Zeugnisse. Liebevoll restauriert sind die meisten der zahlreichen orthodoxen Klöster im Umland von Iasi, und auch die Festung Neamt vermittelte einen lebendigen Eindruck von der bewegten Geschichte in der Region Moldau.
Prägend ist der tiefe orthdoxe Glaube vieler Rumänen; die Klöster befinden sich wieder im Aufbau, religiöse Feste finden großen Zulauf. In Iasi fand am letzten Wochenende ein Pilgerfest statt, bei dem die Gläubigen bis zu 20 Stunden anstanden, um an den in der orthodoxen Kathedrale verwahrten Reliquien beten zu können.
Doch auch in Iasi trifft man wieder auf die eigene Geschichte. So lag der Ort im Aufmarschgebiet der deutschen Streitkräfte vor dem Überfall auf die UdSSR 1941 und im gleichen Jahr Schauplatz eines von dem mit den Nazis verbündeten Regimes des Marschalls Antonescu organisierten Pogroms, dem 13.000 Juden zum Opfer fielen.
Es gibt für mich derzeit also vielfältige Eindrücke zu verarbeiten; Fotos habe ich auch, aber da müsst Ihr Euch noch gedulden, denn sie wollen aufgearbeitet werden und ich stecke derzeit in einer ganz anderen Problematik. Könnte also noch zwei, drei Wochen oder so daueren, wenn ich schnell bin...