Die norwegischen Wikingerschiffe

  • Wer schon in Oslo gewesen ist, der wird sie kennen, die Königinnen von Bygdøy: Das Seeschiff schlechthin - das Gokstadschiff - und das prachtvolle Osebergschiff sowie die kleinen Boote und auch die Reste des Tuneschiffs. Nicht zu vergessen, die wunderbaren Zeugnisse wikingerzeitlichen Kunsthandwerks.


    Sie dürfen auf Bygdøy bleiben und müssen nicht nach Bjørvika umziehen! :thumbup: :thumbup: :thumbup:


    Der Grund für diese jahrelange Diskussion liegt teilweise im Alter des Wikingerschiffhauses, dessen erste Flügel 1914 fertiggestellt wurden, sodass ein Neubau als eine Variante für die dringend notwendigen Konservierungsarbeiten durchgespielt worden ist. Nun hat eine unabhängige Expertengruppe unter der Leitung des Chefkonservators des dänischen Nationalmuseums in Kopenhagen sich gegen die Bjørvika-Variante ausgesprochen, da das Transportrisiko viel zu hoch sei. Die Schiffe sollen an ihrem jetzigen Standort bleiben, dieser müsse aber im Interesse der Erhaltung dieses Nationalschatzes umfassend modernisiert werden.


    Die Diskussion um einen Umzug der Wikingerschiffe nach Bjørvika begann vor ca. 13 Jahren vor dem Hintergrund der Stadtentwicklung und des Opernbaus. Politisch war ins Oslo auch eine Mehrheit für diese Pläne, ein "Kombihighlight" Oper + Wikingerschiffe zu schaffen. Von berufener Seite gab es aber von Anfang an heftigen Widerspruch. Riksantikvaren vertritt die Ansicht, dass das Gebäude auf Bygdøy und die Schiffe eine unteilbare Einheit bildeten. Auch die anderen bekannten Museen auf Bygdøy sprachen sich wiederholt gegen einen Umzug der Wikingerschiffe aus, und Kon-Tiki-Museet hat sogar damit gedroht, in Thor Heyerdals Heimatstadt Larvik umzuziehen, sollten die Wikingerschiffe "zur Oper gehen".


    Kulturministerin Kristin Halvordsen hat nun ein Machtwort gesprochen: Mit dem Bericht der Expertengruppe, die zwei Jahre gearbeitet hat, sei die Diskussion über einen eventuellen Umzug der Wikingerschiffe "definitiv vorbei".


    Ich selbst hatte im März 1989 das seltene Glück, vor Öffnung mit meinem Vater und meinem Bruder in Begleitung des Museumsleiters im vikingskipsmuseet sein zu können, und alleine die Erinnerung jagt mir noch heute kalte Schauer den Rücken herunter. Die Stille hat die quasi sakrale Präsentation der Schiffe noch verstärkt und war ein unvergessliches Erlebnis. Schon alleine deshalb wäre für mich aus meiner Erinnerung heraus eine andere Präsentation gar nicht vorstellbar! :)


    Edit: Hier noch ein Bericht auf Englisch.

  • Wer schon in Oslo gewesen ist, der wird sie kennen, die Königinnen von Bygdøy: Das Seeschiff schlechthin - das Gokstadschiff


    Na ja, kennen schon, aber leider noch nicht gesehen. Bei meiner "Zwangsstadtrundfahrt" 2009 hatten wir nur das Fram-Museum besucht und sind dann auf den Holmenkollen gefahren, die alte Schanze war wenige Wochen zuvor abgerissen worden, und haben dort den dichten Nebel bestaunt. :cursing: Zu gerne hätte ich dies mit den Wikingerschiffen getauscht. :pleasantry_1:

    Gruß Jobo,


    Ich war noch nicht überall, aber es steht auf meiner Liste.
    - Susan Sontag -


    (Links zu meinen Reiseberichten finden sich im Profil/über mich)


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  • :sdanke: für die schönen Bilder - es ist immer eine Freude diese schönen Schiffe zu sehen!


    Hier eine kurze Legende:


    Bilder 1-4 zeigen das Osebergschiff, das kein Seeschiff ist, sondern wahrscheinlich die "Yacht" eines bedeutenden Herrschers, in dem eine vornehme Frau, möglicherweise eine Königin, bestattet worden ist.


    Bild 5 zeigt das nur fragmentarisch erhaltene Tuneschiff.


    Bild 6 zeigt die Grabkammer eines der großen Schiffe, wenn ich recht erinnere aus Oseberg - aber da bin ich mir ohne Nachsehen nicht wirklich sicher.


    Bild 7 zeigt das Gokstadschiff, wahrscheinlich das perfekte Seeschiff für Fernreisen. Der Typ ist kein Langschiff und auch keine Knarr (Handelsschiff), sondern wohl ein Reiseschiff, das einen eigenen Typ darstellt, der auch Karvi genannt wird.


    Bild 8 zeigt den Oseberg-Wagen vor dem Osebergschiff.


    Nicht voll abgebildet sind die beiden neben der Grabkammer ausgestellten Boote aus dem Gokstadfund (6m und 9m); ein drittes Kleinboot von ca. 15m wurde auch gefunden, ist aber nur fragmentarisch erhalten und nicht ausgestellt. Man kann aber das Heck des Sechsmeterbootes auf dem entsprechenden Bild erkennen.


    Die Schiffe sind übrigens nach ihren jeweiligen Fundorten benannt.

  • Ja, vikingsipshuset ist wirklich eine Schatzkiste (wie alle Museen auf Bygdøy), und wenn man seiner Ausstrahlung erst einmal erlegen ist, dann wird man schnell zum "Wiederholungstäter" - eben auch viral bedingt... ;)


    Ein weiteres Museum, dass auf jeden Fall empfehlenswert ist, ist das Wikingerschiffsmuseum im dänischen Roskilde. Im Hauptgebäude sind die Wracks der fünf bei Skuldelev gefundenen und in einer der größten maritimen Grabungen weltweit geborgenen Wikingerschiffe zu sehen. Dabei fällt zunächst die ganz andere, moderne Ausstellungsphilosophie auf, denn in Roskilde wird nur das wirklich Gefundene ausgestellt, Restaurationen und Ergänzungen wie in dem traditionell konzipierten und wesentlich älteren Museum in Oslo fehlen. Als Kind war das für mich viel weniger spannend und spektakulär. Im Laufe der Jahrzehnte wurde in Roskilde aber auch die experimentelle Archäologie zu neuen Maßstäben geführt. Heute ist das Museum um eine Werft und einen Museumshafen erweitert, indem u.a. auch wissenschaftlich exakte Repliken der fünf Skuldelev-Schiffe liegen und betrieben werden. Eine wirklich tolle Geschichte! :thumbup:


    @ Jobo: Ich hätte mir glaube ich auch in den Schinken gebissen, wenn man mich an den abgerissenen Holmenkollen gekarrt hätte, statt ins vikingskipshuset!!! Dabei ist man vom Fram-Museum (das dieses Jahr übrigens einen Anbau erhält für Amundsens Gjøa) doch in fünf Minuten zu Fuß bei den Wikingerschiffen... Das versteh' einer... X( Ich war übrigens kurz vor dem Abriss mit Schülern am Holmenkollen - seitdem geht das Gerücht um, es bestünde zwischen Besuch und Abriss ein Zusammenhang... :mosking:

  • Ja, hat er ;)


    Bilder 1 und 2 zeigen die große Knarr (Handelsschiff). Diese Schiffe waren die "Containerschiffe" ihrer Zeit und zum Transport großer Lasten bestimmt. Im Gegensatz zum verbreiteten Wikingerschiffsbild hatten sie nur wenige Riemen, sodass eigentlich nur in sehr beengten Gewässern wie z.B. Häfen o.ä. gerudert wurde. Mehr als drei bis vier Riemenpaare wären ohnehin sinnlos gewesen, da die Besatzung klein war - schließlich nahm jeder zusätzliche Mann Platz weg. Obschon er sehr klobig wirkt, ist dieser Schiffstyp hochseetüchtig und hat auch bei der Besiedlung Islands, Grönlands und Vinlands (L'Anse aux Meadows auf Neufundland) eine im wahrsten Wortessinne tragende Rolle gespielt. Mit der ersten im Bjørkedal bei Volda nachgebauten Replik dieses Schiffes ist Ragnar Torseth übrigens in den 1980ern um die Welt gesegelt.


    Bilder 3 und 4 zeigen die kleine Knarr. Sie fällt von der Linienführung wesentlich schnittiger aus und entspricht eher dem landläufigen Bild von einem Wikingerschiff, als die große Knarr. Mit weniger Tragkraft werden diese Schiffe vornehmlich im regionalen Handel eingesetzt worden sein, sie waren aber ebenfalls seetüchtig. Diese kleine Knarr von Skuldelev ist archäologisch übrigens eine Sensation, denn von ihr stammt der einzige jemals in Gänze erhalten geborgene Steven eines Wikingerschiffs. Dieser ist aber nicht direkt am Schiff ausgestellt, sondern hängt im Museum an der Wand. Roar Ege, das erste der in Roskilde nachgebauten Wikingerschiffe ist übrigens eine solche kleine Knarr.

  • Ebenfalls sehr interessant ist das Wikingermuseum Haithabu, welches sich südlich der Stadt Schleswig befindet. In diesem werden archäologische Fundstücke ausgestellt, die im Bereich der Wikingerstadt Haithabu gefunden wurden - u.a. die Reste eines Langeschiffes. Da das Gebiet der Stadt Haithabu seit ihrer Eroberung durch die Westslawen nicht wieder überbaut worden war, konnten im Boden und im Bereich des Hafenbeckens sehr viele Zeugnisse der damaligen Siedlungsstruktur entdeckt werden. So waren ganze Wände und Dachsparren gefunden worden. Dadurch war es möglich, verschiedene Häuser zu rekonstruieren. Basierend auf diesen Erkenntnissen wurden inzwischen einige der Häuser im damaligen Stadtgebiet nachgebaut.


    Ergänzung > die folgenden Fotos stammen von meiner Reise 2008:

  • Und Euer Zusammenspiel mit Fotos und Erklärungen finde spitze.


    Und es macht richtig Spaß :)


    Ich habe auch noch ein paar Bilder beizusteuern, die ích 2008 auf der Ausreise in Roskilde gemacht habe und die die Verhältnisse im Museumshafen zeigen. Übrigens ist der Eintritt in den Werft- und Hafenbereich außerhalb der Öffnungszeiten des Museums auf jeden Fall frei.


    Zunächst einmal ein kleiner Eindruck vom Werftbetrieb - aber wie man unschwer sieht, war schon Feierabend...



    Auf diesem Bild ist der Nachbau der großen Knarr zu sehen (Bilder 1 und 2 in # 9 zeigen das Original im Museum).



    Hier die kleine Knarr (Bilder 3 und 4 in #9) innen an der Pier liegend und außen das ebenfalls in Skuldelev ausgegrabene Küstenfahrzeug, über dessen Verwendung nicht letztendliche Klarheit besteht. Vielleicht war es eine Art "Multifunktionsfahrzeug" zum Fischen, Personentransport und Küstenhandel.



    Hier ein Hafenpanorama mit den beiden Schiffen aus dem vorigen Bild rechterhand. Das schlanke, wesentlich hellere Schiff links von den beiden ist das kleine Langschiff (Kriegsschiff) von Skuldelev.



    Ein Schiff fehlt noch, und das war auf großer Fahrt, als die Bilder entstanden sind. Das große Langschiff war 2007/08 auf Besuch in Irland, wo das Original laut Holzanalyse bei Dublin gebaut worden ist. Als ich die Bilder gemacht habe, liefen bereits die Vorbereitungen für die Heimkehr mit großer Willkommensfeier auf Hochtouren.







    Ebenfalls sehr interessant ist das Wikingermuseum Haithabu, welches sich südlich der Stadt Schleswig befindet.


    Ja, Haithabu hat durch die ersten Ansätze zur experimentellen Archäologie sehr gewonnen, besonders als Kind war es irgendwie enttäuschend, dass innerhalb des Halbkreiswalls nichts besonderes war - nur weidende Kühe... An die Schiffsausgrabung Mitte der Siebzigerjahre kann ich mich noch grau erinnern, sie wurde übrigens von dem im Oktober 2011 verstorbenen Ole Crumlin-Pedersen geleitet, der 1962 die fünf Schiffe von Skuldelev ausgegraben hat und später das Wikingerschiffmuseum in Roskilde gegründet hat. Dort hat er auch konsequent die experimentelle Archäologie und den Nachbau und praktischen Betrieb historischer Schiffe gefordert - da hinkt Haithabu leider noch Lichtjahre hinterher, auch wenn man sich langsam erste Schritte traut.


    Übrigens wurden in Haithabu Strafgefangene als Grabungshelfer beschäftigt, die in einer Baracke beim Eingangsbereich zu den auf mil etter mils Bildern gezeigten Hausnachbauten untergebracht waren - in der habe ich viele Jahre später dann auch mal übernachtet. Aber zieht jetzt bitte nicht irgendwelche Schlüsse... :nono:

  • des Gokstadtschiffs bei Sandefjord ist Hobbyarchäologe und Metallsucher Aage Olsen ein Sensationsfund gelungen: Ein Goldring aus der Wikingerzeit! Gemeinsam mit 34 weiteren Mitgliedern von Norsk Metallsøkerforening hatten sie das historische Gelände in Absprache mit Archäologen abgesucht. Neben dem Ring wurden auch mehrere arabische Münzen gefunden, die aufgrund ihrer weiten Akzeptanz auch als der "Euro der Wikingerzeit" bezeichnet werden.

  • Ein Schiff haben sie schon gebaut ;)
    In Haugesund wurde das größte, in der Neuzeit gebaute Wikingerschiff ans Licht des Tages befördert. 35 m lang, bis 8 m breit und mit 300 qm Segel aus Seide bestückt. Es ist ein aus Eiche gebautes Kriegsschiff und soll den Namen "Harald Hårfagre" ( Harald I. Schönhaar) tragen, nach einem Wikingerkönig an der norwegischen Küste. Erste "Eroberungszüge" soll das Schiff entlang der norwegischen Küste machen, dann aber auch Richtung "Europa" und Amerika fahren :)

  • Ein paar Bilder vom Bau finden sich hier.


    Ein wenig verwundert mich, dass das Segel aus Seide gefertigt werden soll -aber es wird von Frode Bjøru aus Jøa südlich Rörvik gemacht, den ich als hervorragenden Segelmacher kennengelernt habe. Vielleicht gibt es für den "Alltag" ja auch noch ein Wollsegel...


    Ein historisches Vorbild für die Harald Hårfagre gibt es übrigens nicht, es ist aber an die in den Sagas beschriebenen Schiffe angelehnt und ist gut 9m länger als das oben beschriebene Gokstadschiff, ist aber in der Linienführung eng an dieses angelehnt.


    Führend im Bau von Wikingerschiffsrepliken in Norwegen war übrigens lange Zeit die Werft des letztes Jahr verstorbenen Sigurd Bjørkedal und seines Sohnes Jakob aus dem gleichnamigen Tal bei Volda, aber das ist hier OT, da es ja um eine Neukonstruktion geht ;)

  • das größte, in der Neuzeit gebaute Wikingerschiff ans Licht des Tages befördert

    Und heute wurde es - ganz modern per Stapelhub - zu Wasser gelassen. Gegen den ersten Satz des Berichts muss ich aber aufs Schärfste protestieren: Die Behauptung, es sei das erste solche Schiff in 1000 Jahren kommt in Bjørkedalen (s. vorstehender Post) garantiert nicht gut an. X(

  • In der letzten Woche ist die 1973 von Sigurd Bjørkedal gebaute Replik des frühwikingerzeitlichen Kvalsundbootes im Sunnmøre Museum in Alesund von seinem Außenplatz in die neue Bootshalle transportiert worden - teils per Kran, teils standesgemäß, teils auf den Buckeln diverser Freiwilliger. Näheres zum Transport gibt es hier im Film.


    Das schöne Boot hat seit Jahren im Freigelände des Museums an Land gestanden und machte einen traurigen Eindruck - irgendwie wie in die sprichwörtliche Ecke gestellt. Hoffentlich wird die Präsentation nun etwas besser, auch wenn sie dem Boot auf Dauer nicht guttun wird, denn Holzschiffe gehören ins Wasser. Warum kann man ganz gut an den Bildern aus dem Bootsinneren nach dem ins-Wasser-Setzen sehen: Das Holz trocknet aus, das Schiff säuft erst einmal ab. Bei zu langer Lagerung an Land können sogar Planken reißen, im Extremfall bis hin zu irreparablen Schäden.


    In Hamburg wurden die alten Holzjugendkutter nach dem Winterlager übrigens gerne mal unter die Brücken zu den Dampferanlegern, z.B. des Blankeneser Bulln, gelegt - oder besser gesagt gehängt - um ein wirkliches Absaufen zu verhindern, bis sich das Holz wieder vollgesogen hatte.

  • Auch die Stadt Nordfjordeid in Sunnmøre möchte an dem Kreuzfahrt- und Tourismusboom in Norwegen teilhaben und betreibt das Konzept Sagastad i Nordfjordeid. Die für das Projekt verantwortliche Steuergruppe hat jetzt ihr Konzept vorgestellt, das den Bau eines Erlebniszentrums am Fjord vorsieht, zu dem auch ein Nachbau von Myklebustskipet, dem größten in Norwegen gefundenen Wikingerschiff, gehören soll. Wie exakt dieser Neubau sein wird, ist allerdings fraglich, da nur Fragmente gefunden wurden, die heute im Bergen Museum liegen. Diese deuten auf ein mindestens 25m langes Schiff mit 29 Riemenpaaren hin. Das Original stammt aus dem 8. bzw. 9. Jahrhundert und wird mit König Audbjørn von Fjordane in Verbindung gebracht, der 876 in der Schlacht von Solskjel umgekommen ist.


    Bei allem Optimismus sei aber angemerkt, dass die Finanzierung des Gesamtprojekts noch nicht steht.

  • In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift DIE YACHT (16/2012) wird das "Flaggschiff" der dänischen Wikingerschiffflotte, die Replik des aus dem Skuldelev-Fund stammenden große Langschiffs, HAVHINGSTEN FRA GLENDALOUGH genauer unter die Lupe genommen - ein sehr informativer Beitrag, von dem es auch ein Appetithäppchen gibt.

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