Montag, 19.01.2009
Es dauert recht lange heute morgen, bis ich aus den Federn komme. Als ich dann, nach einer ausgiebigen Morgentoilette, zum Frühstück erscheine, liegen wir bereits in Havøysund am Kai. Natürlich kommt während des Frühstücks schnell die Rede auf das schöne Polarlicht der vergangenen Nacht. Erneut beschweren sich die Passagiere, die es verpasst haben, darüber, dass keine Durchsage erfolgte. Die Reiseleiterin, eine wohlgenährte Norwegerin, verspricht, mit der Schiffsführung zu sprechen, damit beim nächsten Polarlicht eine Durchsage erfolgt.
Ich suche mir nun einen Stammplatz auf diesem großen Schiff. Der Umlauf auf Deck 6 sagt mir gar nicht zu, irgendwie fühle ich mich hier so eingeengt. Der Gang ist recht schmall und durch die Überdachung habe ich das Gefühl, mich in einem Tunnel zu befinden. Außerdem pfeift hier auch ganz ordentlich der Wind, der Gang wirkt fast wie ein Windkanal. Steht man ganz vorne, kann man zwar in Fahrtrichtung blicken, ist aber bei weitem nicht so gut geschütz wie auf der Nock der Lofoten. Also begebe ich mich aufs Oberdeck, hier bin ich fast alleine und habe eine prima Sicht nach drei Seiten. Auf dem Achterdeck befinden sich an der großen Rückwand rechts und links zwei Ausläße, hier strömt warme Luft nach oben. Hier stehen auch viele Stühle, sicher ein beliebter Platz, zumal man hier windgeschütz und warm sitzen kann.
Die meisten der Passagiere halten sich aber im großen Panoramaraum auf, dadurch ist das Oberdeck so gut wie leer. Lediglich der junge Schweizer (der von Vater und Sohn) läuft auch hier herum, schwer behangen mit seiner Fotoausrüstung, um die gute Sicht für Aufnahmen zu nutzen. Die See zeigt sich hier oben recht ruppig, selbst dieses große Schiff wird leicht hin und her geschaukelt. Dies stört allerdings niemand mehr, mittlerweile hat sich wohl auch der letzte an die See gewöhnt. Dafür bietet uns der Himmel wieder ein wunderschönes Farbenspiel.
Die Fahrt verläuft, vom leichten Schaukeln abgesehen, relativ ereignislos. Hier und da erscheint auch mal ein anderer Passagier auf dem Oberdeck, um dann aber nach wenigen Minuten wieder im Schiff zu verschwinden. Von einer der beiden Damen aus der Bergenbahn erfahre ich, dass unser Mitreisender gestern Mittag in Kirkenes erneut versucht hat, sich mit seiner erneut frisierten Bordkarte ein Mittagessen zu erschleichen. Allerdings wird auf der Midnatsol nicht mit farbigen Punkten gearbeitet, sondern die Bordkarten werden beim ersten Besuch des Restaurants richtig betrachtet und die Passagiere nach Voll- und Halbpension zusammengesetzt. Da auf seiner Karte wohl ein Halbpension vermerkt war, durfte er das Restaurant wieder verlassen, dumm gelaufen. Unser Schiff zieht relativ ruhig seine Bahn durch die rauhe Barentsee.
Von Minute zu Minute wird es jetzt heller, der Wind läßt etwas nach. Eigentlich würde ich jetzt gerne einen Espresso trinken, aber die Bar auf Deck 8 hat erst nachmittags geöffnet. Also laufe ich runter zu Deck 5 in die Cafeteria. Hier gibt es aber leider nur Kaffee, den ich mir zähneknirschend bestelle. Ich treffe Karsten hier und wir setzen uns kurz auf einen Kaffee zusammen. Anschließend gehts wieder nach oben, aufs Achterdeck.
An Steuerbord ist nun ein großer Gastanker zu sehen, ein sicheres Zeichen, das wir uns Hammerfest nähern. Als wir schließlich in Hammerfest anlegen, stehen schon die Menschenmassen vor der Rezeption, um das Schiff zu einem Landgang zu verlassen. Kaum wird der Ausgang geöffnet, rennen alle aus dem Schiff und gleich rechts in den Eisbärenclub. Obwohl es, außer auf Svalbard, in ganz Norwegen keine Eisbären gibt, ist dieser Club mittlerweile weltbekannt. Ich wandere erstmal hoch zur Hauptstraße, um diese ein wenig auf- und abzulaufen. Viel Bürgersteige sind hier beheizt, aber die anderen sind teilweise spiegelglatt.
Als ich wieder zurück zum Schiff gehe, kann ich sehen, dass der Eisbärenclub jetzt wieder leer und somit zugänglich ist. Hier hole ich jetzt das nach, was ich schon 2006 vorhatte, ich werde Mitglied in diesem Club. Sicherlich nur ein Gag, aber sowas muss man halt auch mal mitmachen. Mit einem einmaligen Beitrag erwirbt man die lebenslange Mitgliedschaft, bekommt Aufkleber und Ansteckbutton und hat lebenslang freien Zutritt zum Club. Ich hinterlasse auch meine Email-Adresse, da die Mitglieder darüber mit Neuigkeiten versorgt werden sollen, bis heute habe ich noch nie eine Mail erhalten. Außerdem gibt es natürlich auch noch ein Zertifikat und einen Ausweis, die die Mitgliedschaft bestättigen.
Dann mache ich noch einen Rundgang durch den Club, der gleichzeitig auch ein Museum ist. Es ist nicht sehr groß und die ausgestellten Exponate ähneln denen im Museum in Tromsø, ausgestopfte Eisbären, lebensgroße Dioramen die die Eisbärenjagd darstellen und viele alte Bilder an den Wänden. Im Vorraum gibt es natürlich auch noch viele Marketingartikel, Plüschtiere, Postkarten, Bücher und Bilder, die wohl auch zur Finanzierung des Clubs beitragen. Pünktlich zur Abfahrtszeit bin ich wieder auf dem Schiff und wir verlassen Hammerfest.
Ich begebe mich nun auf Deck 6 um hier vom Außenbereich aus einige Aufnahmen der vorbeiziehenden Landschaft zu machen. Zuerst versuche ich auf der Steuerbordseite zum Bug zu gelangen, aber hier bläst der Wind dermaßen stark, dass selbst ich zurückweichen muss. Also gehts einmal um das ganze Schiff herum und ich kann über die Backbordseite bis nach vorne gelangen.
Die See ist jetzt erheblich ruhiger, nur der starke, beißende Wind stört. Die Helligkeit hat gerade ihren Höhepunkt erreicht, bald wird schon die Dunkelheit wieder einsetzen. Die Temperatur liegt leicht im Plusbereich, allerdings ist auf den Bergspitzen noch ausreichend Schnee erkennbar.
Ich habe nun genug von Deck 6 und bin schnell wieder oben auf dem Achterdeck. Immerhin halten sich jetzt hier auch einige Passagiere auf, zusammen werden es aber wohl nicht mehr als 14 oder 15 Personen sein. Da ist wirklich genug Platz für jeden auf diesem großen Freideck. Ich treffe meine beiden Tischnachbarinnen, die Damen schnappen auch ein wenig frische Luft.
So verbringe ich die weitere Fahrt Richtung Øksfjord
auf dem Oberdeck und lasse mir den Wind um die Nase wehen. Nach und nach verschwinden die meisten Passagiere wieder ins Schiffsinnere und bald stehe ich ganz alleine hier oben.
Noch bevor wir Øksfjord erreichen, hat die Dunkelheit die Landschaft und die See rund um uns herum verschlungen und auch ich verlasse nun das Oberdeck. In Øksfjord gibt es wieder nur einen kuerzen Halt, uninteressant für einen Landgang. Danach starten wir wieder in die Dunkelheit und ich benutze zum ersten Mal den Panoramaraum um ein wenig zu lesen.
Da ich heute morgen recht spät gefrühstückt hatte, habe ich den ganzen Tag auf weitere Nahrung verzichtet. Dadurch verspüre ich nun doch ein starkes Hungergefühl und bin froh, als die Zeit fürs Abendessen gekommen ist. Heute ordert Karsten eine Flasche Weißwein, die in der Qualität dem Rotwein von gestern in nichts nachsteht.
Nach dem Essen statte ich meiner Kabine einen Besuch ab, um dann warm eingepackt, mit Kamera und Stativ erneut auf dem Oberdeck Position zu beziehen. In die Kamera habe ich einen neuen Film eingelegt, also bin ich bestens vorbereit, für das heute hoffentlich wieder erscheinende Polarlicht.
Es dauert aber noch bis etwa 22 Uhr, bevor tatsächlich Polarlicht hinter dem Schiff erscheint. Es ist nicht so stark wie gestern, aber ich hoffe durch die Verwendung des Stativs und lange Belichtungszeiten auf gute Ergebnisse. Die Schleier am Himmel ziehen hin und her und schließlich auch vor das Schiff. Erst jetzt erfolgt eine Durchsage im Schiff, die haben doch tatsächlich nur nach vorne geschaut und nicht bemerkt, das hinter dem Schiff schon lange Polarlicht vorhanden ist. Nun wird es natürlich schnell voller auf dem Oberdeck, aber ich habe einen ganz guten Platz erwischt und werde kaum von anderen gestört.
Bald schon habe ich wieder einen ganzen Film verschossen und mache mich daran einen neuen Film einzulegen. Bis ich allerdings damit fertig bin, ist in der Dunkelheit nicht so einfach, ist das Polarlicht verschwunden und erscheint auch in Folge nicht mehr.
Ich bin nun im Besitz von zwei Filmen mit Polarlichtaufnahmen und glaube mich dadurch im Besitz von doch einigen guten Bildern. Umso größer ist meine Enttäuschung und Verärgerung, als ich später zuhause meine Filme aus dem Entwicklungslabor zurückbekomme und es liegen zwei nagelneue Filme dabei mit dem Vermerk, es habe leider bei der Entwicklung ein Problem gegeben und dabei seien zwei Filme zerstört worden. Es ist wohl nicht schwer zu erraten, um welche Filme es sich dabei gehandelt hat, da sind neue Filme auch keine Entschädigung. Dieses Ereignis war dann endgültig der Anlass für mich, auf die digitale Fotografie umzusteigen.
Als ich den neuen Film eingelegt habe, kann ich jetzt nur noch das über uns deutlich sichtbare Sternbild des Fuhrmanns ablichten. Ich will nun schon das Oberdeck verlassen um die Fotoausrüstung in die Kabine zu räumen, als uns die nordgehende FINNMARKEN passiert.
Bei den langen Belichtungszeiten übertragen sich aber doch die Schiffsvibrationen aufs Bild und eine gute Schärfe ist nicht mehr zu bekommen. Ich bringe also mein Stativ wieder nach unten und mache später Bilder von unserer Ankunft in Tromsø aus der Hand, bzw. indem ich die Kamera auf die Reling auflege.
Leider findet sich niemand für einen nächtlichen Bummel durch Tromsø, schon gar nicht, um einen der schönen Pubs in Tromsø aufzusuchen. Da war die kleine Gemeinschaft auf der Lofoten 2006 schon aus anderem Holz geschnitzt. Alleine habe ich aber auch keine rechte Lust loszuziehen, also beende ich diesen Tag und haue mich in meine Koje, die auf diesem Schiff eher den Charakter eines Hotelbettes hat.
--- wird fortgesetzt ----