abenteuerliche Wintertage in der Arktis (8.3. - 20.3.2020)

  • Liebe @Kassiopeia Was für ein spannender, dramatischer, abenteuerlicher, atemberaubender Reisebericht mit einfach traumhaft schönen Fotos! Ich kann mir richtig vorstellen, wie man diese Schönheit der Landschaft in sich aufnimmt, die Augenblicke aufsaugt, um die Erinnerung nie mehr loszulassen. Und ich bewundere deinen Mut, dass du alleine losziehst, deinen Orientierungssinn auch querfeldein zu laufen, ich hätte mich selbst auf gespurten Wegen längst verlaufen. Und dass du die Reisetage weit weg von zuhause und trotz zunehmender Einschränkungen in Deutschland noch genießen konntest. Oder vielleicht gerade deshalb, weil du so weit weg warst und der Norden dir so vertraut ist, dass du dich dort sicher bewegen kannst. Ein sehr beeindruckender Bericht! Es geht bestimmt noch spannend weiter...

  • ...wie man diese Schönheit der Landschaft in sich aufnimmt, die Augenblicke aufsaugt, um die Erinnerung nie mehr loszulassen. Und ich bewundere deinen Mut, dass du alleine losziehst, deinen Orientierungssinn auch querfeldein zu laufen, ich hätte mich selbst auf gespurten Wegen längst verlaufen. Und dass du die Reisetage weit weg von zuhause und trotz zunehmender Einschränkungen in Deutschland noch genießen konntest. Oder vielleicht gerade deshalb, weil du so weit weg warst und der Norden dir so vertraut ist, dass du dich dort sicher bewegen kannst. Ein sehr beeindruckender Bericht! Es geht bestimmt noch spannend weiter...


    Herzlichen Dank. Ich habe wirklich versucht, diese Momente mit allen Sinnen zu genießen und intensiv zu erleben. Und der Orientierungssinn ist über die Jahre gekommen, zum einen durch das Segeln und später durch viele Wanderungen auch im Sommer in Skandinavien. Der See hat mir bei der klaren Sicht genügend Landmarken geboten, nach denen ich mich richten konnte. Bei Nebel hätte das natürlich anders ausgesehen, da wäre ich auch nicht über den See gegangen.

  • Teil 2


    Nach dem Essen bummle ich noch ein bisschen durch die Stadt, mit dem vielen Schnee, in der Abendsonne und der Dämmerung sieht sie viel schöner aus als bei meinem letzten Besuch im Spätsommer 2019. Der Luossavaara ist beleuchtet. Später am Abend wird noch eine andere Beleuchtung hinzukommen- wieder scheint das Polarlicht. Aber wieder nur schwach und zögerlich, nur, wer es weiß, sieht es. Es wirkt wie Wetterleuchten, aber an verschiedenen Stellen des Himmels, mal nördlich, mal westlich meiner Position. Irgendwann wird es mir zu kalt, ich gehe zurück zur Unterkunft, wärme mich in der Sauna im Keller auf. Sauna, geht das noch zuhause? Ich glaube nicht. Dann gehe ich hoch in mein Zimmer. Und kann sogar vom Fenster das Polarlicht sehen, wie toll ist das denn! Fotos gibt es zwar, aber die fielen der Gütekontrolle zum Opfer, die Parkplatzbeleuchtung im Vordergrund ist zu dominant.

  • 19.03.2020, Schnee, Sonne, Wind, -8°C Teil 1


    Heute morgen wieder Haarewaschen, als sie dann trocken sind, geht es zum Frühstück ins Hauptgebäude, einmal kurz über den Hof. Es scheint eine Internatsschule zu sein. Klar, in dieser dünn besiedelten Gegend wird die Schule für einen großen Umkreis zuständig sein, die Entfernungen nach Hause werden so weit sein, dass man nicht jeden Tag nach dem Unterricht nach Hause fahren kann. Auch hier sind inzwischen nur noch wenige Gäste, 8 habe ich gesehen. Das Frühstück ist überraschend gut und vielfältig, erinnert keinesfalls an Schulspeisung. Draußen schneit es jede Menge, ca. 15 cm Neuschnee sind gefallen. Ich frühstücke zusammen mit den beiden Hamburgern. Ihr Reisegenuss ist so sehr dahin, dass sie heute gar nichts mehr machen wollen. Ich möchte aber meine Freiheit nochmal auskosten. Ich gehe nochmal in die Stadt; irgendwann kommt auch die Sonne raus, der Neuschnee glitzert und wird aufgewirbelt, es geht auch Wind. Ich mache noch etliche Fotos von den schönen Holzhäusern im Schnee; diese Berge von Schnee am Straßenrand, manchmal mehr als 5 Meter hoch! Später erfahre ich, auch für Kiruna sei das nicht alltäglich, es seien die stärksten Schneefälle in Kiruna seit 50 Jahren.


    Irgendwann ist es Zeit für´s Mittagessen, heute werde ich nicht zu spät im "Spis" sein, ich freue mich schon die ganze Zeit auf Rentiergeschnetzeltes - Louvas. Es schmeckt fantastisch. Es gibt auch noch Salat, Brot und Butter, Wasser, Kaffee. Zum Schluss bin ich platzevoll. Der Preis ist deutlich niedriger als er eigentlich auf der Karte ausgezeichnet ist. Ja, sie habe die Preise reduziert, sagt die Wirtin, weil sie befürchte, dass sonst keiner mehr kommt. Das stimmt mich traurig.


    Dann ein Verdauungsspaziergang zurück zur Unterkunft. Ich hole mir nur die Stöcke, meinen Schal und die Regenhose - als Windschutz über der Jeans.

  • Teil 2


    Dann mache ich mich auf den Weg zum Luossavaara. Lange Zeit geht es die Straße entlang, sogar auf der E10 und durch einen Kreisverkehr. Ich vermute, dass die Gehwege jetzt nur durch die Unmengen an Schnee verdeckt sind. Ich finde jedenfalls keine. Dann komme ich zu den Liften. Kein einziger ist in Betrieb, trotz des herrlichen Wetters und präparierter Pisten. Erst später erfahre ich, dass Liftbetrieb nur von 17 bis 20 Uhr ist. Ein Mann mit Hund kommt mir entgegen, er benutzt Stöcke. Ich frage ihn, ob es einen Fußweg auf den Berg gibt. Naja, sagt er, im Winter eigentlich nicht, höchstens am Rand der Piste. Er komme gerade von oben, ich könne ja in seinen Spuren gehen. Das mache ich also. Die Bedingungen sind dabei sehr verschieden, mal brettharter Schnee mit gutem Grip, aber auch an manchen Stellen vereist oder Flugschnee darüber, dann auch wieder Tiefschnee, in den man einsinkt. Oder eine trügerische harte Oberfläche, die man durchbricht. Dabei geht es steil bergan, ich benutze meine Stöcke und bin froh, sie mitzuhaben. Der Wind bläst ziemlich frisch, meine linke Gesichtshälfte tut richtig weh vor Kälte.


    Endlich bin ich oben. Der Blick fällt nicht nur auf Kiruna, sondern auch auf die umliegenden Bergketten und eine Huskyfarm am Waldrand. Gerade biegen zwei Hundeschlittengespanne dort ein, durch das Gebell habe ich die Farm unten im Tal entdeckt. Winzig klein von hier oben, dabei sah der Berg von weitem gar nicht so hoch aus. Oben steht ein Rohbau von einem Gebäude, es ist nicht klar zu erkennen, ob noch weitergebaut werden soll oder ob es eine Bauruine ist. An der Seite kann man sehen, wie leer der Berg ist, hier befand sich ein Tagebau. Der Abstieg ist in der oberen Partie etwas schwierig an den steilen Passagen, die vereist sind. Nun nehme ich auch noch die Spikes zuhilfe. Der restliche Teil ging dann eigentlich ganz einfach. Und unten angekommen fiel mir ein, von meinen Rückenschmerzen zu Urlaubsbeginn ist kaum noch was zu spüren. Das freut mich. Bewegung und Ablenkung habe ich offenbar genug.


    Ich gehe zurück zur Unterkunft und ruhe mich aus, schmiere Stullen für morgen. Und schreibe. Außerdem erhalte ich eine Mail von der Botschaft in Stockholm. Sehr allgemein gehalten, ich empfinde sie nicht als hilfreich. Im Grunde Hinweise darauf, wie man sich bei der Rückkehr dann in Deutschland zu verhalten hat und die Empfehlung, sich schnellstmöglich auf den Heimweg zu machen, weil viele Reiseverbindungen bereits nicht mehr existieren oder zumindest demnächst wegfallen könnten. Und man möge sich auf der Krisenseite des Auswärtigen Amtes registrieren. ??? Aber genau das habe ich doch getan, woher hätten sie sonst meine Mailadresse? Nicht überbewerten, Ruhe bewahren.


    Als es dunkel wird, schaue ich ab und zu aus dem Fenster in der Hoffnung, vielleicht nochmal Polarlichter zu sehen. Heute ist aber kaum etwas zu sehen, irgendwann gebe ich auf und gehe schlafen.

  • 20.03.2020 Sonne, Sonne, bewölkt, -10° - +6°C


    Heute entscheidet es sich, ob wir nach Hause kommen. Ich werde zeitig wach, es ist schon gegen 5 Uhr hell. Da kann ich mich nochmal umdrehen. Aber kurz nach 6 Uhr stehe ich doch auf, packe noch ein paar letzte Sachen, sodass der Koffer auch zugeht. Im kleinen Bad gibt es nur ein Waschbecken und eine Toilette, zum Duschen geht es in den Keller. Und dann wieder zum Frühstück über den Hof. Ich nehme den Koffer gleich mit, es gibt da einen Gepäckraum. Im Frühstücksraum sitzen 7 Angestellte - und ich. Sie unterhalten sich über die aktuelle Situation, ein angespanntes Gespräch. Später kommen noch die beiden Hamburger, wir drei sind hier die letzten Gäste. Wir frühstücken gemeinsam, sorgen uns um die Rücktour und erörtern, was uns wohl zuhause erwarten mag. Schon bald nach dem Frühstück kommt das bestellte Taxi und bringt uns zum Flughafen. Es ist nicht billig, fast 60 Euro, weil es ein Großraumtaxi ist, die beiden haben ja Sperrgepäck dabei, die Skier und die Pulken. Natürlich teilen wir die Rechnung. Wir haben nun den Self-Check-In vor uns. Hat man am Bildschirm alle Angaben eingegeben, spuckt der Automat eine Bordkarte und eine Banderole für das Gepäck aus. Wie klebt man die zusammen? Welchen Abschnitt reißt man ab? Naja, wir kriegen es hin. Dann können wir schon bald ans Gate, das ist so klein wie auch z. B. in Kirkenes. Heute gehen von Kiruna nur zwei Flüge. Es ist so viel Platz im Flieger, dass jeder eine Reihe für sich haben kann. Ein paar letzte Blicke über die erstarrte Landschaft, Schwanken zwischen Wehmut über den Abschied - wohl für lange Zeit und der Anspannung, nach Hause zu kommen. Und das ist erst der Anfang. In Stockholm angekommen - so schnell hatte ich noch nie mein Gepäck. Naja, bei so wenigen Gästen. Dann geht es einmal quer durch den ganzen Flughafen. Die Duty-Free-Shops haben zwar geöffnet, reduzierte Preise, aber kein einziger Kunde in den Läden. Und am Check-In bin ich erstmal die einzige. Am Gate stellt sich dann heraus, okay, es sind immerhin 10 Personen, die mit dieser Maschine fliegen. Im Flieger weist die Crew dann zwei Personen an, sich auf Plätze an den Tragflächen zu setzen, damit sie in einer etwaigen Notsituation jemanden haben, der die Türen zur Tragfläche öffnet. Ich nahm an, dass der Flieger voll wird, weil alle Versprengten bemüht sind, nach Hause zu kommen. Aber wahrscheinlich gehören wir schon zu den letzten. Heute war der letzte Tag, an dem Norwegian nach regulärem Flugplan verkehrt ist, ab morgen werden die Routen ausgedünnt. Mir tun die Mitarbeiter leid. Ein Großteil von ihnen wird nach Hause geschickt, verliert vermutlich seine Arbeit.


    In Berlin ist auch alles leer, bis auf ein paar Polizisten, die uns bei der Ankunft fragen, woher wir kommen. Haben die keinen Flugplan? Wir dürfen passieren, der Koffer kommt nahezu umgehend. Ich melde mich bei meiner Nichte, mir wird auf einmal klar, dass ich sie und ihre Familie gefährden würde, wenn ich bei ihnen übernachten würde. Ich entscheide mich um, sie soll nicht kommen. Stattdessen nehme ich den nächsten Zug nach Stralsund. Auf den Bahnhöfen in Schönefeld und Hauptbahnhof gähnende Leere, ebenso im Zug. Keinem Menschen begegne ich mehr, es ist gespenstisch. Glücklicherweise steht dann am Bahnhof ein Taxi, sodass ich schnell zuhause bin, ohne weiteres Geschleppe.

  • Nicht ganz so extrem erging es mir, als ich am 5.3.2020 wieder in Deutschland war. Trotzdem hatte ich den Eindruck, nicht nur das Land, sondern auch den Planeten gewechselt zu haben :wacko:
    Danke für den spannenden Bericht :)

  • Vielen Dank für den spannenden Bericht mit traumhaften Bildern und den vielen Anregungen es mal in ähnlicher Weise nachzutun. (Da wird dieses Jahr nix draus, geplant war zwar etwas, ..).

  • @Kassiopeia
    Auch ich danke dir für diesen tollen Reisebericht. Du schreibst so anschaulich, dass ich immer das Gefühl hatte dabei zu sein. Begeistert war ich von der wunderschönen Winterlandschaft und von deinem Mut so eine Reise ganz alleine zu machen. Aber du hast ja alles wunderbar geschafft!
    Nun kannst du von dem Erlebten zehren. Wollen wir hoffen, dass wir alle bald wieder verreisen dürfen, damit wir auch in Zukunft wieder spannende Reiseberichte lesen können.


    Liebe Grüße


    Senja

  • Aller besten Dank für Deinen tollen Bericht über eine für mich so vollkommen andere Art des Reisens. :) Die Fotos waren grandios und haben jeden aufregenden Tag nicht nur lesend uns nahe gebracht, sondern wir hatten das Gefühl, dabei gewesen zu sein!! Danke für diese Reise.


    Meine Reise in die Antarktis wurde am 13. März abgesagt, eine halbe Stunde bevor ich mich auf den Weg zum Münchener Flughafen gemacht hätte. Beinahe wäre ich dann in Santiago stecken geblieben; das wäre der Graus gewesen - und dazu noch meine Frau mit Grippe.


    Im September flogen wir nach Athen, um eine Kreuzfahrt mit der World Explorer zu machen. Die Flughäfen sahen auch da noch nicht anders aus, als von Dir beschrieben.
    Es werden andere Zeiten kommen!!!!! Wir freuen uns drauf. :rolleyes:

  • Ich bedanke mich bei allen, die mich auf dieser Reise hier begleitet haben. Auch für mich war es nochmal ein Eintauchen in diese Erlebnisse, deshalb habe ich im Moment das Gefühl, so lange würde die Reise noch gar nicht zurückliegen. Ich weiß, dass ich in vielerlei Hinsicht immenses Glück gehabt habe, sei es mit dem Reisezeitraum selbst, den Reiseverbindungen, die mehrmals geradeso geklappt haben, einem glimpflichen Ausgang der Geschichte mit der Pistenraupe und natürlich auch mit dem Wetter.


    Ich wünsche allen, dass sich ihre Reiseträume erfüllen. Und bis dahin schwelgen wir eben in Erinnerungen oder richten den Blick auf die kleinen Dinge in unserer unmittelbaren Umgebung, die uns auch Freude geben können.

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