Auf dem Frachtschiff kreuz und quer durchs Land - mit der GMS Seestern von Hannover nach Almelo (20.02.-28.02.2015)

  • Nach 3 langen Monaten ohne Reisen wächst und wächst die Sehnsucht nach der Ferne, und ich beginne zu planen: Was ist wohl in diesem Jahr möglich? Im Herbst/Winter mit einem Schiff durch Deutschland? Am liebsten mit einem Frachtschiff. Anruf bei zwei Agenturen. Ich bin wohl nicht die Einzige mit dieser Idee, denn die wenigen Reisen sind fast komplett ausgebucht. Außerdem ist nicht klar, was in diesem Jahr möglich ist.
    Da muss ich wohl auf meinen Erinnerungsschatz zurückgreifen. Die Reise liegt zwar schon eine Weile zurück, aber mit den Bildern werden die Erinnerungen wieder
    lebendig. So starte ich mit meiner Reise und freue mich, wenn ihr mich begleitet.
    Die GMS Seestern wurde 1962 gebaut, 2 Jahre vor der MS Lofoten und ist mit 80m Länge fast so lang wie sie. Bei der Passagierzahl kann sie allerdings nicht mithalten: 400 auf der MS Lofoten und maximal 2 auf der GMS Seestern. ;) ;)
    Weitere, ernstzunehmende Infos findet ihr auf der Homepage: https://www.ms-seestern.de/
    Die MS Seestern ist wie viele Frachtschiffe nicht fest verchartert. Das bedeutet für mich: Erst ein paar Tage vor der Reise erfahre ich, wo ich einsteigen soll.
    Es ist die Schleuse Anderten in Hannover. Los geht's!



    Freitag, 20.02.2015


    Auf diesen Stresstest hätte ich gerne verzichtet: Im Freitagsverkehr geht es über die berüchtigte A2 nach Hannover. Mein Hotel in der Nähe der Schleuse liegt im Grünen.
    Ein Glück: Da kann ich nach der nervenden Fahrt ausatmen! Mein Auto kann die ganze Woche dort stehenbleiben, obwohl ich noch gar nicht weiß, ob ich noch einmal dort übernachten werde. Danke!



    Samstag, 21.02.


    Anruf von Franz Schramm, dem Kapitän: Am Nachmittag soll ich an der Schleuse einsteigen, später als gedacht. Da bleibt noch Zeit für einen Abstecher in die Stadt.
    Im Sprengel Museum gibt es eine Ausstellung, die Spaß verspricht. Auf Einladung des Museums wurde der englische Fotograf Martin Parr https://www.martinparr.com/ eingeladen, sich um Hannover herum auf die Suche nach dem britischen Nationalstolz fern der Heimat zu begeben. Es sind skurrile, ironische und humorvolle Bilder entstanden, die dem Ruf des Fotografen alle Ehre machen. So einen Auftakt für meine Reise lases ich mir gefallen!
    An der Schleuse https://de.wikipedia.org/wiki/Schleuse_Anderten erwartet mich ein neuer Anruf: Der Kapitän bittet mich, im Schleusenbüro die Post für ihn abzuholen. Koffer parken, hoch ins Büro, Post holen, mir den Anlegeplatz zeigen lassen. Und da stehe ich und warte mit leicht erhöhtem Pulsschlag auf das Schiff. Das nähert sich gemütlich, eine Passagierin steigt aus, nicht sehr mitteilungsfreudig. Hat ihr etwa die Fahrt nicht gefallen? Gepäck an Bord, ich hinterher, freundliche Begrüßung von Sonja und Franz Schramm. Hinab in meine kleine Wohnung im Bug. Gemütlich! Auspacken, Kamera fertig machen und hinaus aufs Deck.
    Da begrüßt mich die absolute Hauptperson, Stelle, die Schiffshündin. Kritisches Schnüffeln, immerhin werde ich nicht angeknurrt. Unser Verhältnis ist noch ausbaufähig, aber dazu ist ja noch Zeit genug.





    Bevor es in die Schleuse geht, ein erster Blick auf's Schiff.




    Und ab in die Schleuse. Da ist Sonja im Einsatz. Hier ist noch Handarbeit gefragt. Anders al bei anderen Schleusen muss sie beim Schleusen die Taue noch von Hand umsetzen.



    Wir tuckern eine Weile auf dem Kanal entlang. Im Dämmerlicht wird angelegt, denn das Schiff fährt nur am Tag. In einem griechischen Lokal in der Nähe des Anlegers klingt der Tag gemütlich aus.


    Viele Grüße


    omlia :)



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  • 22.02.



    Nach einer ruhigen Nacht vorne im Bug geht es früh los. Wir sind auf dem Mittellandkanal. Er verbindet den Dortmund-Ems-Kanal mit Weser, Elbe und dem Elbe-Havel- Kanal und ist mit über 300 Kilometern die längste künstliche Wasserstraße Deutschlands. https://de.wikipedia.org/wiki/Mittellandkanal Bis zu Mündung in den Dortmund-Ems-Kanal gibt es keine Schleuse mehr. Wir fahren durch ländliches Gebiet, so abgelegen, dass sowohl das Internet als auch die Mobilfunkverbindung immer wieder ausfallen.
    Die GMS Seestern hat in Berlin Drahtrollen geladen. Das Ziel ist eine große Zaunfabrik in Almelo.








    Nun wird es aber Zeit, die Mannschaft kennenzulernen. Darf ich vorstellen: Franz Schramm, der Kapitän, zusammen mit seiner Copilotin Stella. ;)
    Herr L., ein guter Bekannter. Er ist ein alter "Seebär" und kann viele Geschichten aus seinem abenteuerlichen Leben auf dem Wasser erzählen.
    Wenn ihn die Sehnsucht packt, fährt er mit und ist der zweite Copilot an Bord, sicher mit mehr Erfahrung als die Hundedame! :) Er kann den Kapitän entlasten, denn der hat viel zu tun an Bord, wie man gleich sehen wird.






    Nicht zu vergessen: die gute Fee an Bord, Sonja Schramm. Sie zaubert das Frühstück, liebevoll angerichtet und jeden Morgen auf der Brücke serviert.






    Gestärkt geht es nach draußen, entlang der Ladung nach vorne zu meinem Logenplatz. Dort genieße ich den Blick auf die Landschaft, die gemächlich an mir vorbeizieht.







    Franz Schramm beim Flexen, eine seiner vielen Arbeiten an Bord







    So ein Wachhund hat es nicht leicht, wenn sich sein Territorium ständig verändert! Ob Schiff, Ruderer, Radfahrer am Ufer.... Alle müssen genau im Auge behalten werden.





    Fortsetzung folgt.




    Viele Grüße



    omlia :)



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  • 22.02. (Fortsetzung)


    Als wir die Schachtschleuse Minden, die den Kanal mit der Weser verbindet, passieren, erklärt mit Franz Schramm genau, wie die funktioniert.
    Ich nicke verständnisvoll, bin aber ganz und gar nicht sicher, ob ich alles verstanden habe. Da hilft nur Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Schachtschleuse_Minden




    Wellen haben Seltenheitswert auf dem Kanal. Das wird sich erst auf dem Rhein ändern.
    Während ich mir nicht sicher bin, ob wir uns im Spätwinter oder Vorfrühling befinden, hat der Storch sich entschieden:
    Er ist schon mit Frühlingsgefühlen aus dem SÜden angereist.







    Mal draußen, mal auf der Brücke und immer wieder bei Stella at work






    Unser Anlegeplatz in Preußisch Oldendorf ist erreicht. Ein kurzer Hallo-Besuch im Wirtshaus und dann zum Schiffer-Großeinkauf!
    Ich staune über das Sortiment. Mir fällt nichts ein, was ich dort nicht finde. Unglaublich! Für die Schiffer ist dies ein wichtiger Ort, denn die Liegeplätze sind oft weit entfernt von Einkaufmöglichkeiten, und wenn kein Auto an Bord ist, wird das Einkaufen zum Problem.
    Gemütliches Abendessen in der Schrammschen Wohnung, ein Abendbier, und dann "Gute Nacht zusammen"!




    Viele Grüße



    omlia :)




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  • @sternengucker, genau so ist es für mich. Es gibt nicht sehr viele Binnenschife, auf denen man als Passagier mitfahren kann, und die wenigen Plätze sind sehr begehrt. Mindestens ein Jahr vorher solltest du dich anmelden, bei besonders beliebten Schiffen wie der Seestern auch länger. Ich möchte gerne noch in diesem Jahr fahren und hatte eine der Agenturen angerufen. Es gab noch ein einziges Schiff, auf dem man mitfahren könnte, falls Corona es zulässt.


    Viele Grüße


    omlia :)



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  • 23.02.


    Es geht gemächlich weiter. Mir gefällt es sehr, so verlangsamt durch meine Heimat zu fahren, ganz anders als mit Auto oder Zug.
    Es bleibt ländlich, Kornspeicher und Höfe säumen den Weg, Enten haben kreative Wettrenn-Ideen,....






    ...und die Landschaft strahlt eine fast meditative Ruhe aus.






    Am "Nassen Dreieck" mündet der Mittellandkanal in den Dortund-Ems-Kanal. Hier ist ein wichtiger Knotenpunkt für die Binnenschiffahrt.
    Wir passieren die Bunkerstation, eine Tankstelle für Schiffe, und biegen ab gen Süden. Das "Nasse Dreieck" macht seinem Namen alle Ehre,
    denn es beginnt zu regnen.





    Wir fahren noch eine Weile mit abnehmendem Licht in die Nacht hinein und erreichen im Dunkeln unseren "Schlafplatz".
    Ich freue mich auf den nächsten Tag, denn da geht es in meine Heimat, das Ruhrgebiet.






    Viele Grüße


    omlia :)



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  • 24.02.



    Brücken werden zu einem größeren Thema auf auf dem Dortmund-Ems Kanal https://de.wikipedia.org/wiki/Dortmund-Ems-Kanal. Jetzt, wo wir ein dicht besiedeltes Gebiet erreichen, reiht sich eine an die andere. Es sind mindestens 80! Auf diese macht Franz Schramm mich besonders aufmerksam: "Zück schon mal die Kamera."
    Was macht denn Horst Lichter hier?





    Idyllen am Ufer ;)







    Die Schleuse in Münster ist nur der Auftakt für einen wahren Schleusenmarathon. Bis Duisburg sind es insgesamt sieben!
    Ich weiß noch nicht, dass ich mich zum Schleusenfan entwickeln werde.





    Sonja's Aufgaben sind vielfältig. Das Festmachen gehört immer dazu. Hier hilft ein hydraulisches System,
    so dass sie das Tau beim Schleusen nicht von Hand umsetzen muss wie bei vielen anderen Schleusen.





    Es geht vorbei an Münster, wie man es kaum kennt.







    Bei der nächsten Brücke wird vor einer niedrigen Durchfahrt gewarnt. Das scheint auch nötig zu sein, denn immer wieder kommt es zu schweren Unfällen.
    So gab es im Mai 2020 schon zwei Unfälle, weil die Durchfahrthöhe falsch eingeschätzt wurde. Bei einem der Unfälle ist die ganze Brücke eingestürzt, und der Schaden geht in die Millionen.





    Bei dieser Durchfahrt grüßt die Hochsee, allerdings mit Katastrophe! ;( ;)




    Fortsetzung folgt.



    Viele Grüße


    omlia :)



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  • Moin miteinander.
    Das Flussschiff LIBERTÉ mit Eigner & Kapitän Thomas MAGNER (Ruf 0172 8722796 an Bord)) ist seit dem 26. Mai 2020 wieder unterwegs. Das Schiff hat 6 Kabinen mit Platz für maximal 12 Paxe und fährt im Jahr 2020 in D, NL, B & F auf Kanälen und Flüssen. Es sind keine Fahrräder für Paxe an Bord, es wird nur tagsüber gefahren. Abfahrtort und Ankunftort sind meist nicht identisch. Die einzelnen Reisen dauern 7 bis 9 Tage. Ich bin als zahlender Mitfahrer häufig an Bord. MfG Claus.


  • Dienstag,24.02.




    Dass es sich bei dem Stier um ein Abbild handelt, ist ja klar, aber wie sieht es bei Ruhrmanns aus? Was ist original, was nicht?





    In schönem Gegenlicht nähern wir uns einer weiteren Brücke und einem Sicherheitstor, wie mir Franz Schramm erklärt. Damit kann man Teilstrecken eines Kanals absperren, etwa bei einem Dammbruch, und so das Auslaufen des Kanals und Überschwemmungen verhindern. Auch bei Inspektionsarbeiten und Repapaturen kann eine teilweise Trockenlegung notwendig sein.





    Vorbei an Siloanlagen...





    ...geht es auf das Kohlekraftwerk Datteln zu. https://de.wikipedia.org/wiki/Kraftwerk_Datteln
    Das wurde gestern, am 30.05.2020, in Betrieb benommen, begleitet von heftigen Protesten https://www.zeit.de/news/2020-…gegen-kraftwerk-datteln-4 Ein neues Kohlekraftwerk, wo doch der Ausstieg beschlossen ist? Die Kohle kommt aus Brasilien, Russland und anderen Ländern und muss in den großen Seehäfen umgeladen werden. Was für Transportwege! Das verstehe, wer will.





    Ob die alten Kühltürme unter Denkmalschutz stehen, weiß ich nicht.





    Mein Herz schlägt höher, als wir uns dem Schiffshebewerk Henrichenburg nähern. Meine Heimatstadt Castrop-Rauxel liegt ganz in der Nähe, und ich erinnere mich an einen der seltenen Schulauflüge dorthin. Damals war das alte Hebewerk noch in Betrieb (Es wurde 1969 stillgelegt) und hat mich nachhaltig beeindruckt.
    Heute steht es unter Denkmalschutz und ist ein beeindruckendes Zeugnis der frühen Industriearchitektur. https://de.wikipedia.org/wiki/Schiffshebewerk_Henrichenburg





    "Hingabe" - Was für eine poetische Botschft, denke ich, aber nix da! Das Schild steht vor einer großen Entsorgungsanlage, in der mein Neffe öfter in den Ferien gejobbt hat. Das Schild ist Teil des großen Projekts "Kulturkanal" https://de.wikipedia.org/wiki/KulturKanal.





    Kurz darauf erreichen wir die nächste Schleuse.





    "Ist das nicht langweilig?" werde ich immer wieder gefragt. Das finde ich gar nicht. Ob es an dem entschleunigten Reisen liegt, das ich genieße,
    oder an dem wunderbaren Licht, das die Schleusenkammer verzaubert,- ich genieße die fast magische Stimmung, wenn sich das Schiff langsam hebt und das Tor zur Außenwelt sich wieder öffnet.





    Fortsetzung folgt.



    Viele Grüße



    omlia :)



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  • Dienstag, 24.02. (Fortsetzung)




    Seit Henrichenburg fahren wir auf dem Rhein-Herne-Kanal. Auf einer Länge von 45 Kilometern bringt er es auf 5 Schleusen und 21 Häfen. Respekt! https://de.wikipedia.org/wiki/Rhein-Herne-Kanal</a>







    Stella spricht schon seit einer Weile mit mir. Prüfung bestanden! Der Schwanz wedelt, und sogar Streicheln ist möglich!
    Unermüdlich verteidigt sie ihr Territoium. Was hat der Radfahrer da zu suchen? Noch ärgerlicher sind Hunde am Ufer.







    Auf einer dieser Brücken habe ich als Kind oft gestanden und so lange auf das Wasser und vorbeiziehende Schiffe geschaut, bis es schien, als ob die Brücke sich mit mir bewegte. Das funktioniert auch heute noch auf jeder Moselbrücke. ;)







    Und eine letzte Schleuse. Von der habe ich in der Nacht geträumt.













    Wir legen an für eine friedliche Nacht.







    Viele Grüße



    omlia :)



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