Sturmreise mit der MS Finnmarken im Herbst vom 17. – 28.09.2018 – BKB

  • das in Studentenkreisen die Herausforderung bestünde dieser Statue heimlich einen Schal umzuhängen


    Was durchaus auch stattfindet, wie du hier in meinem alten Bericht von 2012 sehen kannst. ;)

    Gruß Jobo,


    Ich war noch nicht überall, aber es steht auf meiner Liste.
    - Susan Sontag -


    (Links zu meinen Reiseberichten finden sich im Profil/über mich)


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  • Und wie habt ihr euch entschieden? :D


    Mmh, da habe ich ja anscheinend alles richtig wieder gegeben, denn ich ernte keinen Protest!


    Dem kann leicht abgeholfen werden: ;) Mit "Rippboot" ist das gemeint, was meist Zodiac gemannt wird, obwohl das nur der Name des bekanntesten Herstellers von Festrumpfschlauchbooten (RIB) ist. HR verwendet dafür oft die Bezeichnung "RIB Boat".

  • Hallo Sterna-paradisaea,
    vielen Dank für deine Korrektur und Erläuterung! Da hat meine Lektorin ja schön geschlafen.
    Ich werde die Schreibweise künftig beachten.
    Zu deiner Frage komme ich in dem nächsten Abschnitt der Reise, um nichts vorweg zu nehmen.
    Ich werde mich mit der Fertigstellung beeilen!
    Gruß Gilbert

  • Donnerstag, 20.09.2018



    Heute wachte ich wieder wie an einem Arbeitstag zu Hause um 05.30 auf. Ich bin sofort aufgestanden und zu meinem morgendlichen Frühsport aufgebrochen, denn schließlich hatte der Morgen heute einen engen Zeitplan. Die Überquerung des Polarkreises stand auf dem Programm in aller Frühe. Ich zog mich warm an, stellte die Fotoausrüstung zusammen, weckte meine Frau und ging raus in den norwegischen jungen Tag. Um 06.30 standen wir am Bug und ich hatte die Kamera schussbereit. Mein Schwager stieß auch mit einer Kamera hinzu und leistete uns Gesellschaft. Um ca. 07:09 war es soweit, wir überquerten den Polarkreis. Wir fuhren recht dicht an dem Polarzirkel vorbei.

    Da lag er nun im Nebel auf einer kleinen Insel, wenn nur das Wetter besser gewesen wäre, aber die Betonung liegt ja auf Polar! Da wäre strahlender Sonnenschein irgendwie unglaubwürdig gewesen. Unsere Tipps waren alle daneben, mein Vater war mit 07:11:04 am nächsten dran, aber trotzdem noch meilenweit entfernt. So, das war er also der Polarkreis, aber nun war erst mal Frühstückszeit. Danach bin ich gleich wieder zum Bug! Raus aus den Klamotten, rein in die Klamotten, von wegen eine erholsame Schiffsreise, ein Stress ist das, denn eine interessante Schiffsbegegnung war angekündigt. Die MS Trollfjord nahte, eines der größten Schiffe der Hurtigruten Flotte und das mit dem zweitschönsten Namen.

    Polarlys finde ich noch schöner. Ich fuhr zweigleisig, das hieß mit dem Tele fotografieren und mit dem Smartphone filmen. Schön wie die Typhone sich gegenseitig ihre Grüße zu tröten. Ich versuchte gleichzeitig zu winken und zu filmen. Leider haute ich dabei einer Teilnehmerin der Canon Fotogruppe meinen Arm um die Ohren. Oh wie peinlich, aber es ist nichts passiert, ich entschuldige mich vielmals und bin jetzt schlauer um die Bedeutung des Winkeduells, ich hatte keine Ahnung um die Gefahren.


    Nach einer Weile kämpfte sich die Sonne durch die schwarze Wolkendecke und es ergaben sich einige hübsche Motive an Steuerbord. Eine wildromantische Landschaft mit den typischen Drachenbergen die ich schon öfter gesehen hatte, und kleinen Ortschaften auf Wiesen die in dem Sonnenlicht in sattem Grün erstrahlten.

    Und dann kam auch schon der nächste P.o.I. und die Erklärung warum die Fotogruppe um mich herum wieselte. Der Swartisen, Norwegens zweitgrößter Gletscher, wurde von unserer Reiseleiterin angekündigt.Der Wettergott war gnädig indem er die Lücke in der Wolkendecke offen liess und das bald nicht mehr ewige Eis angestrahlt wurde.

    Die Fotogruppe war ganz aus dem Häuschen und ich tat es Ihnen nach, die Lichterspiele vom Swartisen zu digitalisieren.

    Jetzt hätte ich auch ganz gerne ein paar Foto Tipps vom Meister gehabt. Aber das wagte ich nicht, zumal der Maître auch nicht für alle seine Schäfchen Zeit hatte, denn die kleine Blondine bekam seine meiste Aufmerksamkeit.
    Um 9:05 liefen wir in Ørnes ein, ein verschlafenes kleines Nest mit beeindruckenden Bergzacken im Hintergrund. Aussteigen lohnte sich hier auch nicht, da der Aufenthalt zu kurz war.

    Ich ging nach ein paar Schnappschüssen rauf zum Panoramadeck und fand den Rest unserer kleinen Reisegruppe auf die eine oder andere Art beschäftigt vor. Alle warteten auf die große Polartaufe, ich hatte mich auch schon vorbereitet und nur Textilien angezogen die aus Kunstfasern waren und somit schnell trockneten. Dann ging es los, alle Taufwilligen sollten raus aufs Deck hinter dem Panoramasaal in den strömenden Regen.

    Es waren Tische aufgebaut, Teile der Mannschaft standen dahinter, Marte die Reiseleiterin schwang das Mikrofon und dann...dann kam mit fürchterlichem Gebrüll Njord der nordische Meeresgott, sprach zu uns in reinstem Englisch, lehrte uns das Fürchten und verkündete die Prozedur der Polartaufe. Er tauchte erst oben am Schornstein auf um dann waghalsig zu uns herabzusteigen. Als Erstes wurde die Frau gesucht, die das Fragespiel um die Polarkreis Überquerung gewonnen hatte, die war aber nicht da sondern nur ihre Freundin. Marte übergab ihr feierlich die Hurtigruten Flagge und Magnus in Gestalt von Njord kippte ihr mit diabolischem Grinsen eine große Suppenkelle mit Eiswürfeln in Wasserbad in den Nacken. Das war ein wahrer Freundschaftsdienst, Glück hat, wer solche Freunde besitzt, die einem eine Eisdusche abnehmen.
    Meine Eltern schauten sich das Spektakel von drinnen an und wir Greenhorns ließen die kalte Nackendusche mit sanftem Regengeprassel als Hintergrundmelodie über uns ergehen, um anschließend den dargebotenen Alkohol über den Knorpel zu gießen. Da wurde einem wenigstens von innen warm. Meine Schwester und Schwager hatten die Kameraführung und hielten sich als bereits vor sechs Jahren getaufte vornehm im Hintergrund. Magnus hat das wieder ganz toll gemacht, sie war wirklich bühnenreif seine Aufführung als Meeresgott. Ich hatte gedacht, das ich schlau war und die Unter- und Oberbekleidung nicht in die Hosen gestopft hatte, so dass die Eiswürfel gleich durchrutschten. So weit so gut, doch mit dem Eiswasser hatte ich nicht gerechnet, es verschwand in der Kleidung und machte keine Anstalten durchzurutschen. So musste ich ab in die Kabine und mich umziehen, denn so schnell trocknet auch keine Funktionswäsche.

    Dann mussten wir auch schon fast zum Mittagessen, denn wir sollten Bodø um 12:30 erreichen und wollten aussteigen, um uns die Stadt anzusehen. Bis auf meine gehbehinderte Mutter kamen alle mit, leider bei mittelprächtigem Regen. Wir fanden die Fußgängerzone und eine Einkaufsgalerie. Schnell waren wir durch sie hindurch gelaufen und erreichten auch schnell das Ende der Fußgängerzone. Dort gab es erst mal eine Diskussion wie es weiter gehen sollte. Der eine will hier hin der andere will dort hin. Das Interesse meiner Frau erregte ein jammernder Großpudel der, an einer Laterne angebunden, das Leben sehr ungerecht fand.
    Es war schwer sie dort wieder weg zu bekommen, obwohl ich schon sagen muss, dass er wirklich putzig und herzzerreißend war mit seiner Jammershow. Wir gingen dann schließlich außen herum, um die Mall um zu schauen ob es da was Interessantes gab, doch Fehlanzeige am Ende standen wir wieder am Ausgangspunkt vor dem Einkaufszentrum. Meine Frau und ich wollten die Fußgängerzone in die andere Richtung gehen und der Rest ging, um der erhöhten Luftfeuchtigkeit zu entgehen, wieder in die Galerie. Weiter die Fußgängerzone rauf fanden dann noch ein nettes Geschäft, doch um dort Geld auszugeben, so nett war es dann doch wieder nicht.

    Am Straßenrand parkte ein hellblau metallic farbener Chevrolet ... den ich erst mal auf meine Speicherkarte übertrug. Wir kehrten um, liefen doch wieder zur Einkaufsgalerie zurück und entdeckten über viele verwinkelte Gänge dass sie doch sehr groß war. Dort verbrachten wir noch eine dreiviertel Stunde. Wir kauften noch ein paar Süßigkeiten und Cola bevor wir uns wieder auf den Weg zum Schiff machten. Die anderen waren schon alle weg, es war ja auch nicht so ein spektakulärer Ausflug gewesen, vielleicht wäre der Hurtigruten Ausflug zum Saltstraumen doch besser gewesen, obwohl die Tide, glaub ich, nicht optimal gewesen wäre. Nun gut, wir haben uns die Beine vertreten und was anderes gesehen, das Beste was man bei diesem Sauwetter machen konnte. Meine Frau und ich sind dann mit Schwester und Schwager hoch zum Deck 7 gegangen um den Mega Ausflug zu buchen. 500,- € pro Person, das ist schon mehr als grenzwertig, aber wie das so ist, wer weiß ob man noch mal hier hin kommt und es ist ja schließlich Urlaub, wer will schon im Urlaub sparen.
    Wir stachen ca. um 15:00 wieder in See und ich begab mich nach einer Kaffeepause wieder zu meinem Aussichtspunkt am Bug des Schiffes.

    Ungefähr um 16:30 sah ich an Backbord Seite eine kleine Insel mit einem roten Leuchtturm, ausgestattet mit zwei weißen Ringen, und mit ihm standen auf der Schäre vier kleine weiße und zwei rote Häuschen. Das war trotz des schlechten grauen Wetters ein sehr schönes Fotomotiv. Ich starrte abwechselnd mit dem Fernglas und Teleobjektiv auf die offene See, ob ich nicht vielleicht wenigstens einen klitzekleinen Wal oder Robben sehe und manchmal gaukelten mir seltsame Wellen etwas Ähnliches vor, doch da war wohl mehr Wunsch der Vater des Gedanken. Wenn man so lange auf die Wellen starrt, sieht man alles Mögliche. Also hörte ich auf, aber es war schon schade, denn es war eine der Hoffnungen die ich in diese Reise gesetzt hatte, außergewöhnliche Tierbeobachtungen zu machen und zu fotografieren.
    Dann ging es hinaus auf den Vestfjord Richtung Lofoten. Wir verließen die schützenden Inseln und die See wurde richtig ungemütlich. Der Horizont war schon nicht mehr zu erkennen, denn das Meer verschmolz mit dem Himmel zu einer dunkelgrauen Suppe und der Seegang fing an Spaß zu machen. So um 17:15 kam über die Bordlautsprecher die Durchsage, das sich die Passagiere nur noch drinnen aufhalten sollten, da der Seegang zu stark war. Ich verstand die Durchsage als Konjunktiv und fühlte mich als selbst ernannter Fotoreporter nicht angesprochen.

    Lustig und munter fotografierte ich weiter fleißig die Brecher und die Gischt, die bis Deck 8 hochflog. Am Bug und an der Backbordseite konnte man sich nicht aufhalten, da wäre ich weggepustet und in Sekundenschnelle pitschnass geworden. Aber an der Lee Seite an Steuerbord da ging es. Ich hielt mich dicht an der Schiffswand und arbeitete mich nach vorne. Dort gibt es an der Reling eine sehr breite Stahlstrebe wo ich mich rein klemmen konnte, ich war da relativ geschützt und konnte auf den Bug schauen. Ans Fotografieren war aber nicht zu denken, denn da hätte ich aus meiner Deckung herauskommen müssen und wäre ordentlich geduscht worden. Es ging stark auf und ab und das Schiff arbeitete sich durch die Wellen, lange hielt ich es da aber nicht aus und so ging ich wieder zur Mitte des Schiffes wo die Eingänge zu den Innenräumen sind. Da kamen mir zwei Mann von der Besatzung entgegen und der eine sagte zu mir: "You have to go inside, or i will bring you!" Ich entschuldigte mich und versicherte ihm, dass ich sofort reingehen werde. Ich wollte doch nicht wegen Meuterei in das Kabelgatt gesperrt werden.


    Kurz vor dem Abendessen, so um 18:00, bin ich durch das kleine Treppenhaus nach oben zum Sportbereich gegangen. Ich wollte doch mal schauen was mein Pool macht. Der gebärdete sich wie toll, ich habe dann von ihm ein kleines Filmchen gedreht wie das Poolwasser versuchte zurück ins Meer zu kommen. Ein Großteil des Wassers schaffte das auch. Warum die Mannschaft den nicht leer pumpt, dachte ich? Das haben sie dann später auch gemacht, wahrscheinlich hatten sie im Moment andere Probleme, z.B. verrückte Paxe daran zu hindern sich selbst umzubringen. Diesmal hatte mich keiner erwischt und ich bin dann wieder runter zum Abendessen gegangen. Auf dem Weg dorthin traf ich noch meine Frau und Schwester die die gleiche Idee hatten. Das Laufen auf den Gängen war gewöhnungsbedürftig denn man musste immer darauf achten nicht mit irgendwem oder irgendetwas zu kollidieren. Kurz vor der Eingangskontrolle bin ich noch auf die Toilette zum Händewaschen und ich hatte Glück denn ein Waschbecken war noch nicht voll von schon mal Gegessenem. Ich sagte beim Personal Bescheid und bedauerte gleich deren Job. Ob das so gut ist sich jetzt den Magen voll zu schlagen, dachte ich? Aber ich war recht zuversichtlich, denn ich hatte noch nie unter Seekrankheit gelitten, aber was nicht ist konnte ja noch werden.


    So, dann eierten wir zu unserem Tisch, der ziemlich am Anfang des Speisesaales lag und hatten grade Platz genommen, da bekam ich einen Lachkrampf. Denn ich blickte zum Ausgang und bekam mit wie ein Herr sich gerade unter dem Apparat die Hände desinfizieren wollte, da kam das Schiff über und ein anderer Herr wollte sich an dem Ständer auf dem dieser Apparat festgemacht ist festhalten. Dumm nur, das dieser Ständer nicht auf dem Boden festgeschraubt war sondern nur hingestellt. Und so schoss er mit samt diesem Ständer zur entgegengesetzten Seite des Flures wo ihm die Wand schließlich Halt gab. Der erste Herr hatte sich an der Theke festgehalten und machte ein dermaßen verblüfftes Gesicht wohin die Desinfektion abhaute, dass ich mich totlachen musste. Ein Slapstick a la bonheur. Das ließ ja für das kommende Menu einiges erwarten. Mein Vater bestellte zwei Gläser Valpolicella, auf meine Frage ob das bei diesem schwankendem Schiff schlau wäre meinte er nur, dass das ja eine rutschfeste Tischdecke sei wo nichts umkippen könne. Ich staunte nur über diesen Optimismus, aber das konnte ja sein, denn Väter verfügen ja bekanntlich über eine größere Lebenserfahrung.


    Wir hatten gerade alle unsere Getränke, da kippte das Schiff plötzlich nach Backbord und meine Mutter kippte mit ihrem Stuhl in dieselbe Richtung zum Gang hin. Mein Vater hat super reagiert und hielt den Stuhl an der Lehne fest, so dass nichts passierte, doch sie wurde von dem Schreck ganz blass und hatte große Angst das das nochmal passiert. Ich, der ihr gegenübersaß, stand auf und stellte mich vor Kopf des Tisches, schupperte ihr den Arm und sprach beruhigend auf sie ein. Im Saal waren bei dem Hüpfer des Schiffes einige Sachen kaputt gegangen und es gab eine gewisse Unruhe unter den Passagieren. Ich schaute Richtung Heck und traute meinen Augen kaum was ich durch die großen Fenster sah. Das ganze Heck schien im Meer zu versinken so sah das aus, denn man sah nur noch graue Wassermassen. Das Heck versank in einem Wellental und mit Schrecken sah ich eine riesige Welle auf uns zukommen. Ich rief noch den Anderen zu das da eine Monsterwelle im Anmarsch ist und hielt mich mit der einen einer Hand am Tisch fest. Mit der anderen Hand hielt ich den Stuhl meiner Mutter und stemmte mich gleichzeitig gegen den Tisch. Das Schiff bekam zwei starke Stöße nach rechts und links kurz hintereinander mit gleichzeitiger Auf- und Ab Bewegung.

    Dann brach im Speisesaal das Chaos aus. Ich schaute nur nach hinten, wo die Heckscheiben im Wasser verschwanden und jede Menge Gegenstände durch die Gegend flogen, ein Scheppern, Klirren und Krachen, und dann schoss das Heck der guten alten MS Finnmarken wieder wie ein Korken aus dem Wellental hoch und man hatte den Eindruck als schüttelte sie das überflüssige Wasser von sich ab, wie ein nasser Hund. Ich bekam gar nicht mit, das meine Frau von ihrem Stuhl flog und vor die Füße der Nachbarin. Sie sagte hinterher das die Nachbarin bei ihrer Entschuldigung bemerkte: Nevermind, we are all sitting in the same boat. Die Engländer mit ihrem trockenen Humor, einfach köstlich. Mein Schwiegervater saß erst auf meines Bruders Schoss und dann umgekehrt und die Wein und Wassergläser ergossen ihren Inhalt über Tisch und Leute. Es gab sehr viele Scherben, ganze Tellerstapel flogen durch die Gegend, Servierwagen waren umgefallen und etliche Leute rappelten sich wieder vom Boden hoch. Überall wo man hinsah, blickte man in erschreckte bleiche Gesichter.


    Das hört sich jetzt sehr dramatisch an, aber das war es auch. Ich war vorher noch so flapsig an Deck und freute mich über den starken Seegang, doch jetzt saß mir auch der Schrecken in den Gliedern und mit meiner coolness war es nicht mehr weit her. Trotzdem brach keine Panik aus vor allen Dingen deswegen, weil das Personal super ruhig und strukturiert reagiert hat. Sie beruhigten die Passagiere, räumten auf, fegten die Scherben zusammen, sicherten die Servierwagen und andere Gegenstände um dann mit dem Servieren des Essens fortzufahren.


    Doch dann kam noch einmal eine gewisse Hektik im Heck auf und es wurde über Lautsprecher nachgefragt ob es einen Arzt unter den Passagieren gäbe. Wenig später wurde eine bewusstlose Person auf einer Trage an uns vorbei gebracht. Nicht alle Leute hatten so viel Glück wie wir, denn von uns trug außer dem Schrecken keiner Blessuren davon. Wie wir später erfuhren wurde die Schwedin schwer verletzt, als sie mit ihrem Stuhl gegen einen Pfeiler schleuderte. Sie wurde im nächsten Hafen von Bord gebracht denn der Hubschrauber konnte bei dem Sturm nicht starten. Es gab auch zahlreiche andere Verletzte denn ich sah auch an den Folgetagen viele Leute mit Schnittverletzungen und Prellungen. Die Ursache dieser Unfälle lag wohl darin, dass das Schiff zur gleichen Zeit wie die Welle es traf, eine Kursänderung vollführte. Das weitere Essen verlief dann ohne große Störungen wenn man von dem weiterhin starken Seegang absah. Meine Eltern bekamen ihren Valpolicella wieder, den sie schon zur Hälfte getrunken hatten, was ich für einen bemerkenswert guten Trick halte aus halb vollen Gläsern wieder volle zu machen. Der weitere Verlauf des Abendessen verlief ruhig, was auch darauf zurück zuführen war, dass wir die ersten Ausläufer der Lofoten erreichten und das Schiff nicht mehr so ungeschützt Wind und Wellen ausgesetzt war.


    Ich war gerade mit dem Essen fertig, da wurde eine Schiffsbegegnung mit der MS Kong Harald durchgegeben. Ich stürzte im richtigen Moment auf der Backbord Seite auf Deck 5 aus der Tür heraus als ich sie auch schon sah. Wie ein Korken in der Waschmaschine kämpfte sich die Kong Harald durch die aufgewühlte See. Es war eine irrsinnige Momentaufnahme, zu sehen wie das Schiff auf und niedergeworfen wurde. Ein Spielball der schwarzen See, die Gischt leuchtete weiß im Scheinwerferlicht und das alles vor gezackten Felswänden die sich schwarz vor dem dunkelgrauen Himmel abzeichneten. Gleichzeitig wurde mir bewusst, dass wir aus der Sicht der Kong Harald genauso ein grausig faszinierendes Bild abgaben. Die klagenden Laute der Typhone gingen in dem tosenden Sturm fast unter und waren eine schauerliche Begleitmusik. Dieses Bild werde ich in meinem Leben nicht mehr vergessen und es hielt mich so gefangen, dass ich meinen Fotoapparat völlig vergas, denn ich hatte nur Augen für das kämpfende Schiff. Das ist einer jener Momente im Leben, wo man Ehrfurcht vor der Natur bekommt und sich als Mensch lächerlich klein vorkommt.


    Wir waren alle aufgeregt und hatten in der Cafeteria noch viel zu erzählen bis sich die Gemüter beruhigten. Einige spielten Karten und der Rest plauderte. Die Häfen Stamsund und Svolvær wurden wegen des Sturmes nicht angefahren also ging es weiter Richtung Stokmarknes auf den Vesterålen. Ich ging dann irgendwann hoch zum Panoramadeck, wohin sich meine Schwester und mein Schwager verabschiedet hatten für einen Gute Nacht Trunk. Wir saßen ganz vorne in dem Panoramasalon und erlebten dort die Durchfahrt durch den Raftsund was im Dunklen sehr spektakulär war. Überall wiesen uns Leuchtbojen den Weg und an einer Stelle war es besonders eng, so dass wir dachten es würde gleich unter dem Rumpf knirschen.
    Die Suchscheinwerfer waren ständig im Einsatz, ob das was mit der Durchfahrt zu tun hatte oder ob das nur Spielerei war das wussten wir nicht, auf jeden Fall war es für uns ein tolles Spektakel. Es war allerdings eine ruhige Durchfahrt denn dieser Streckenabschnitt bot dem Schiff viel Schutz vor dem rauen Nordmeer. Irgendwo in einem Seitenarm lag auch der Trollfjord, wo genau bekamen wir in der Dunkelheit nicht mit und eine Einfahrt in den Selbigen hätte uns auch nichts gebracht außer dem zweifelhaften Erlebnis eine Havarie mitzuerleben. Unsere Abenteuerlust war an diesem Tag reichlich gestillt und als die Schaukelei wieder los ging weil die Finnmarken die Lofoten verließ gingen wir in die Kojen. Das war total lustig in den Kojen, fast wie in einer Hängematte. Wir wurden trotz des Sturmes in den Schlaf geschaukelt und keiner ist aus der Koje gefallen.



    So, das war jetzt ziemlich viel zu lesen und ich hoffe ich war nicht zu ausschweifend. Doch dieses Erlebnis hatte es in sich und mir läuft heute noch ein Schauer den Rücken hinunter wenn ich daran zurück denke! Da ich so etwas erlebt habe werde ich mich künftig nicht mehr über starken Seegang freuen, denn das hätte auch schief gehen können. Wenn man daran denkt wie es den Menschen auf der Costa Concordia ergangen ist…

  • Also, bei Deinen ersten Beschreibungen von wegen Konjunktiv, Seegang genießen, bis die sehr deutliche Ansage kam '.....go in....' habe ich mit dem Kopf geschüttelt. :fie: Deine weitere Schilderung hat gezeigt, dass Dir der Respekt vor der Natur ziemlich hart vor Augen geführt wurde.
    Es ist schön, dass Euch Nichts passiert ist. :thumbup:
    Du darfst mir aber mal verraten, was 'ich schnupperte ihr den Arm' bewirken sollte! :mosking:
    Ach übrigens: lange Texte sind völlig in Ordnung. Und bei diesem nachhaltig beeindruckenden Erlebnis erst Recht.

  • Danke dafür, dass du mich auf diesen lustigen Schreibfehler aufmerksam gemacht hast!
    Ich meinte natürlich schuppern, umgangssprachlich den Arm tätscheln! Das schleicht sich
    bei so einem Mammut Text mit dieser vermaledeiten Texterkennung schon mal ein!
    LG Gilbert

  • Du hast einen wunderbar humorvollen und kurzweiligen Schreibstil, bei dem es sehr viel Spaß macht, auch lange Texte zu
    lesen. :ok:


    Beim Lesen deines letzten Berichtes wechselten sich allerdings entsetztes Kopfschütteln, ob deiner Eskapaden bei schwerer See :fie: , und lautes Gelächter wegen des Desinfektionsständers ab. :laugh1:


    Ich hab auch schon Tage an Bord erlebt, an denen das Restaurant wegen des schaukelnden Schiffes zu Essenszeiten recht übersichtlich war, aber sie waren nicht vergleichbar mit deinem Erlebnis. :wacko1:


    Bin mal gespannt, ob deine weitere Tour entspannter war und freu mich auf die Fortsetzung! :sdanke:


    LG, Verena :flower:

  • ...und ich dachte, wir hätten eine stürmische Reise gehabt, aber Deine Beschreibung der Ereignisse lässt einen dann doch wieder merken, dass die Naturgewalten, die wir auf der Hurtigrute so lieben, durchaus unerfreuliche werden können, und es macht mir grossen Respekt - auch, wie gelassen Ihr dennoch damit umgegangen seid!
    (Das Klärli wäre wahrscheinlich hysterisch schreiend von Bord gegangen und heimgeflogen.)

    Grüessli, Jacqueline



    Es gibt keinen vernünftigen Grund, die gleiche Reise immer und immer wieder zu machen,
    aber es gibt tausend gute Gründe <3

  • Da ich zwei Mal mit der Finnmarken unterwegs war, ebenfalls in der Nähe des Eingangs den Tisch hatte und mir insgesamt das Restaurant sehr gut räumlich vorstellen kann, wird mir schon beim lesen ganz schaurig.
    Gut, dass ihr das heil überstanden habt.
    Ganz besonders auch eure "älteren" Familienmitglieder.


    @Marihona ja, für Klärli wäre die Situation das absolute Chaos gewesen, hi, hi.
    Freue mich schon sehr auf eure nächste "gemeinsame" Reise!!


    Gruß seealpe

  • Beim Lesen deines letzten Berichtes wechselten sich allerdings entsetztes Kopfschütteln, ob deiner Eskapaden bei schwerer See


    Da hast du recht, während ich mich an der Bordwand nach vorn hangelte habe ich darüber nachgedacht: Wenn du hier über Bord gehst, dann bist du weg und keiner merkt es. Aber wo hört Abenteuerlust auf und fängt Unvernunft an? Ich habe es dann ja auch eingesehen, das es zu gefährlich war und wäre auch ohne die Ermahnung rein gegangen.
    Danke das dir mein Bericht gefällt! ;)



    @Marihøna -

    Zitat

    wie gelassen Ihr dennoch damit umgegangen seid!


    So gelassen waren wir eigentlich nicht, aber die Besatzung strahlte so eine Ruhe und Gelassen seit aus, so dass keine Panik ausbrach.

  • Kurzer Zwischenbericht:
    Konnten gerade um 19 h nicht in Stamsund und anlegen, mehrere Versuche scheiterten. Ursache: zu starker Sturm.
    Es war vorher schon bekannt gegeben, daß die Ausflügler nicht über die normale ausgelegte Brücke das Schiff verlassen können, sondern über das Autodeck. Dann ging aber gar nichts mehr.
    Die Küche mußte dann natürlich für die an Bord gebliebenen, die beim Ausflug Essen bekommen hätten, noch ein Dinner zubereiten.
    Eine Studentengruppe aus Bodø , die in Stamsund das Schiff verlassen wollte, muß nun erst mal bis Svolver weiter mit fahren.
    Aber was ist das schon, gegen das Chaos auf der Finnmarken !

    .


    Das habe ich in meinem Livebericht am 21.9.2018 geschrieben, nachdem ich von einem Forie, der mit dir auf der Finnmarken war, die Info über das Chaos dort gelesen hatte- wir waren mit der Polarlys ja nur einen Tag hinter euch - und wie ich jetzt weiß, war @radler auch auf der Polarlys ( den ich übrigens sehr gerne kennengelernt hätte !!!) Und nun schreibst du @Nanook über dies Erlebnis. Wie ihr das überstanden habt ?! Bei euch auf der Finnmarken war eine Gruppe älterer Holländer, denn mit denen waren wir auf der Color Line von Kiel nach Oslo und auch in der Bergenbahn von Oslo nach Bergen gefahren. An die mußte ich sofort denken, als ich von der Monsterwelle erfuhr.
    Inzwischen habe ich deinen Bericht mit großem Vergnügen, aber an bestimmten Stellen auch mit Gänsehaut und Schauer über dem Rücken gelesen. Kann ich mich doch an Sturmnächte auch erinnern.
    Und Klärli/ @Marihøna war auf der Nordkapp vor euch bzw. zwei Tage vor uns. So war es ja fast eine Forums-Kolonnenfahrt.
    Du schreibst so anschaulich, daß man wieder richtig mitreisen kann, :sdafuer: :sdanke: und auch für die wunderschönen Fotos.
    Ich freue mich schon auf die Fortsetzung, auch mit viel Text, es ist ja schließlich ein Reise-Erlebnisbericht.



  • Hallo Trollebo,
    ich habe grade deinen Live Bericht überflogen, das gründliche Lesen werde ich nachholen, und muss sagen, dass der Sturm euch auch ganz schön durchgeschüttelt hat. ;(
    Es ist wirklich erschreckend, das so ein großes Schiff wie die Finnmarken so zum Spielball der Elemente werden kann. Ach was erzähle ich für einen Quatsch, die Finnmarken ist im Vergleich mit den Kussmundschiffen ein kleiner Kutter und selbst die können in Seenot geraten wie man unlängst vor der norwegischen Küste im Fernsehen sehen konnte. =O
    Wahrscheinlich war das auf der Finnmarken auch gar nicht so schlimm, wenn man bedenkt wie ruhig das Personal im Restaurant reagiert hat. :sleeping:


    Mir hat mal jemand gesagt, dass man bei einem Flug die Besatzung beobachten soll wenn einem etwas komisch vorkommt, denn wenn die nervös werden dann kann man sich denen beruhigt anschließen. :D


    Vielen Dank für dein Lob und natürlich auch das der Anderen! Ich mache das hier zum ersten Mal und da ist man schon etwas unsicher wie das Ganze ankommt. :/
    Aber euer Feedback ist wirklich super und ich arbeite munter an der Fortsetzung, auch wenn es viel Arbeit ist! :huh:


    Liebe Grüße Gilbert ;)

  • Freitag, 21.09.2018



    Auch dieser Morgen fing für mich sehr früh an und ein Blick aus dem Fenster sagte mir, entweder war der Sturm abgezogen oder die vielen Inseln zwischen denen wir hindurchfuhren gaben so viel Schutz das man von einem Sturm nichts bemerkte. Wie dem auch sei, die Finnmarken zog ruhig ihren Weg durch die Inselwelt Nordnorwegens. Von den beiden Häfen Sortland und Rsøyhamn die wir in der Nacht anlaufen sollten hatte ich nichts mitbekommen. Entweder hatte der Kapitän die auch ausgelassen, was ich mir bei dem ruhigen Wetter nicht vorstellen konnte, oder, was wahrscheinlicher war, ich hatte alles verschlafen. Also raus aus der Koje schauen was „mein“ Pool macht.
    Ah, zum Glück war er wieder voll, also stand dem Frühsport nichts im Wege. Leider hatte ich die Münze fürs Wertfach vergessen, also alles wieder mit zum Pool nehmen und hoffen, dass das Telefon nicht nass wird. Phantastisch so allein schwimmen um 05:40 bei leichtem Regen im warmen Wasser. Wir kamen ganz dicht an einer großen Felswand an der Backbord Seite vorbei. Das war richtig romantisch und geheimnisvoll, denn die Felswand sah aus wie der Rücken eines riesigen versteinerten Drachens, so viele große Zacken hatte der.
    Der Berg gehört wohl zu der Insel Grytøya nördlich von Harstad, wie ich hinterher herausgefunden habe. Überhaupt haben die Berge hier in Norwegen eine große magische Wirkung, deswegen gibt es hier wohl auch so viele Sagengestalten. Nach dem Schwimmen und Saunieren machte ich mich fertig für den Landgang, denn wir liefen um 06:40 in Harstad ein und ich hatte 45 Minuten Zeit um meinen Hunger nach Forscherdrang zu stillen und den aufs Frühstück ins Unermessliche zu steigern.


    Ich stiefelte also mit knurrendem Magen los, meine Frau hielt mich für verrückt und blieb noch in der Koje. Bei leichtem Regen ging ich durch den Hafen und steuerte zielsicher auf ein altes Segelschiff zu. Es hieß Anna Rogde und lag in seinem Heimathafen.

    Nach ein paar Fotos machte ich mich auf in die Stadt. Ich entschied mich für die Straße rechts den Berg hinauf, der Aussicht wegen und weil die Einkaufsstraße wie ausgestorben aussah. Die Vermutung liegt nahe, dass die Uhrzeit ein nicht unwesentlicher Grund war. Ich bin dann hoch gelaufen bis zur Schule, zwei Jugendstilhäuser waren recht hübsch anzuschauen aber sonst hatte ich bis auf den Ausblick auf den Hafen mit der Finnmarken nichts Besonderes gesehen.

    Also ging ich zurück, denn ich hatte noch vor auf einen langen Pier zu laufen, um eine bessere Ansicht auf die Finnmarken zu haben. Um Zeit zu sparen, denn Zeit ist Trumpf beim Landgang (hatte ich das schon erwähnt?), wollte ich über ein Festivalgelände abkürzen und bin sofort wieder mit einem Sicherheitsverantwortlichen zusammen gestoßen, der in seinem Auto nur darauf wartete, dass einer wie ich daher kommt um seine Langeweile zu unterbrechen. Was hilft´s, diskutieren kostet nur Zeit, also außen herum zum Pier. Aber dann gab es da doch noch etwas Besonderes, ein alter Dampfer mit Namen „Gamle Salten“ lag dort.

    Er hatte den Heimathafen Bodø und wenn mich nicht alles täuscht habe ich hinterher im Hurtigruten Museum gesehen, dass er mal ein Hurtigruten Schiff war, vielleicht ein Schwesterschiff der alten Finnmarken? Schnell auf den langen Steg um noch ein paar Fotos zu machen und dann mit Bundeswehrschritt zurück, bloß keine Zeit verlieren, das Schiff wartet nicht, aber ich hatte genug von der selbigen.


    Wieder auf dem Schiff schnell zum Frühstück, die Familie sitzt schon da und hat mir ein Plätzchen freigehalten. Frisch gestärkt habe ich mich wieder wetterfest angezogen, zwar gab es mal keinen Regen aber kalt war´s. Vorher schaute ich im Fitness Raum vorbei und bestaunte meine Schwester und Schwager auf den Rudergeräten. Das wurde mir nach ein paar Minuten zu langweilig also bin ich wieder raus aufs Vorschiff. Wir fuhren durch einen breiten Fjord dem nächsten Hafen Finnsnes entgegen und bei trockenem, aber wieder sehr stürmischem Wetter wurde mir die Zeit nicht langweilig, da es reichlich Schiffsverkehr gab.

    Fahrplanmäßig fuhr die Finnmarken unter lautem Getröte in den kleinen lauschigen Hafen von Finnsnes ein. Backbord voraus kam uns unter der Brücke ein großes sehr breites hellgraues Schiff entgegen. Es sah aufgrund seiner Breite wie ein Eisbrecher aus, allerdings passten die Radar Kugeln und das militärische Aussehen nicht zu einem zivilen Eisbrecher. Später habe ich im Internet herausgefunden, das die FS Eger ein norwegisches Spionage Schiff ist.

    Zu Dritt sind wir runter vom Schiff in ein Sportgeschäft, das wir schon von weitem sahen, denn mein Schwager musste neue Addiletten haben. Seine Alten waren während der Reise zerbröselt und das war die Gelegenheit für Ersatz. Danach wollten wir noch schnell in den Extra Markt um ein Sixpack Bier zu kaufen, so war der Plan. Eine Weile habe ich mich auch im Sportgeschäft umgeschaut, aber als er nach 20 Minuten immer noch nicht zu Potte gekommen war, sagte ich zu meiner Schwester, dass ich schon mal zum Supermarkt vorgehe.
    Es war ja nicht weit, nur den Hügel hoch und über zwei Straßen rüber. Gesagt getan, ich bin in den Laden rein gegangen und die Rolltreppe hoch. Das war der erste Fehler, denn da war die Bekleidungsabteilung und runter ging es leider auch sehr langsam. Also hatte ich schon mal schön Zeit verloren. Der zweite Fehler war, dass ich mich bei dem, überraschenderweise doch recht großem Sixpack Angebot nicht so recht entscheiden konnte, schließlich wählte ich ein Bier der Mack Brauerei, das Isbjørn mit dem Eisbär, aus. Wir kommen schließlich nach Tromsø wo diese Brauerei ansässig ist, sagte ich zu mir selbst. So, nun schnell zur Kasse und mit Kreditkarte zahlen, geht ja fix dachte ich. Ich hab mich lieber hinter einer jungen Frau mit Kind angestellt in der Erwartung, dass es dort schneller ginge als hinter dem älteren Herrn an der anderen Kasse. Doch das war der Fehler Nr. 3, denn die Kassiererin kannte die beiden, hielt erstmal ein Schwätzchen und schäkerte mit dem Kind rum bis sie mein Zappeln bemerkte und weiter machte. Mit der Bemerkung, dass mein Schiff nicht wartet glättete sich ihr missmutiges Gesicht wieder und sie wünschte mir zum Abschied Ausdauer beim Laufen.


    Ich stürzte aus dem Laden und von meiner Verwandtschaft war weit und breit nichts zu sehen. Also los Richtung Hafen, laut meiner Uhr waren es noch knappe 5 Minuten, und die sollten reichen. Ich machte beim von Bord gehen immer einen Zeitvergleich mit der dortigen Uhr. Beine in die Hand nehmen und los sprinten, über die beiden Straßen rüber, zum Glück war ich in Norwegen und nicht in Italien sonst wäre ich auf dem Zebrastreifen platt gefahren worden. Auf halbem Weg höre ich schon das zornige Typhon der Finnmarken. Oh je, wie viele Aufrufe gibt es bei einem Schiff? Um den letzten Schuppen im Laufschritt, das hat man nun von dem Geiz günstigeres Bier kaufen zu wollen. Da ist sie schon, mit noch offener Passagierluke, und sie zerrt an ihren Tauen. Meine Schwester und ihr Mann, die alten Pharisäer, hielten die Gangway besetzt. Sie sagte, mit einem Grinsen, sie hätte die Abfahrt mit einem Schwächeanfall verzögert. Das ging ja noch mal gut, ich war ganz schön aus der Puste und konnte über meinen Leichtsinn nur den Kopf schütteln. Mit dem Taxi nach Tromsø fahren wäre zwar ein Erlebnis gewesen und das Sixpack wäre das Teuerste meines Lebens geworden.


    Nachdem die Finnmarken abgelegt hatte wollten meine Frau, Geschwister und Schwager zum Fitnessraum. Ich guckte mir erst mal das Ablege Manöver an und blieb noch eine Weile an Deck, um dann zu schauen wie Sport in der Bude aussieht. Ich bin mehr für frische Luft beim Sport und verabschiedete mich recht bald um meine Nase wieder in den Wind zu halten.


    Nach dem Mittagessen hätte ich fast einen POI und den Vortrag von Magnus verpasst, man darf wirklich nicht viel Zeit unter Deck verbringen sonst ist man schnell unterinformiert. Denn wir passierten kurz vor Tromsø die 2,1 Kilometer lange und 900 Meter breite Insel Ryøy die den Straumsfjord nördlich in den Storstraumen und südlich in den Litjestraumen teilt. Gemeinsam werden sie als Rystraumen bezeichnet. Ich musste mich nach informieren, da ich von dem Vortrag leider nicht allzu viel behalten habe, einmal weil ich zu spät kam und zum anderen habe ich vergessen mir Stichpunkte aufzuschreiben. Magnus erzählte, dass diesem Malstrom früher wohl viele Schiffe zum Opfer gefallen sind und das diese Schiffbrüchigen von Räubern auf der Insel ausgeraubt und umgebracht wurden. Später wurde die Insel Ryøy dann zur Abschreckung von Verbrechern genutzt, in dem man aufgespießte Köpfe aufstellte. Dann wurden Moschusochsen auf der Insel angesiedelt und von der Universität Tromsø ihr Verhalten erforscht. Dem aktuellen Stand nach soll die Insel nun für den Tourismus freigegeben werden, sobald der letzte Moschusochse verstorben ist.

    Um 14:20 war es schließlich soweit, die Einfahrt nach Tromsø war erreicht. Sehr markant waren schon von weitem die große steile Brücke die den Fjord überspannt und die Eismeerkathedrale. Wir Jüngeren hatten uns vorgenommen zu Fuß dorthin zu marschieren, während unsere drei Älteren zum Polarmuseum gehen wollten. Keiner von uns machte wieder einmal einen Hurtigruten Ausflug mit, sondern wir machten alles auf eigene Faust, denn wir hatten ja unsere familieneigenen Reiseführer dabei. Nach zwei Stunden wollten wir uns dann wieder vor der gelben hölzernen Kirche, die im Übrigen von innen sehr hübsch ist, treffen.

    Wir gingen durch die Fussgängerzone, die aus Holzhäusern bestand, so sah es jedenfalls das Auge des Betrachters, und an vielen Buden und sogar Zelten vorbei. Der Name des Volksfestes ist mir entgangen.

    Die Brücke selbst war dann eine richtige Herausforderung, denn ein sehr stürmischer kalter Seitenwind und der steile Anstieg machten es uns nicht einfacher diese Brücke zu bezwingen. Fünfzehn Minuten brauchten wir, um die Brücke zu überqueren, es kam mir aber so vor als ob wir eine Stunde gebraucht hätten.


    Vor der Eismeerkathedrale lauerte die nächste Überraschung, wir wurden zur Kasse gebeten. Eintritt zahlen für den Eintritt in eine Kirche, ziemlich unchristlich aber verständlich wenn man die Besuchermassen bedenkt. Obwohl der Eintritt in den Kölner Dom, der mit Sicherheit einen höheren Besucheransturm zu bewältigen hat, kostenlos ist. Na ja, 50 NOK pro Nase ist für norwegische Verhältnisse noch human. Wir zahlten und traten ein.

    Die Innenausstattung ist recht schlicht und nicht so spektakulär wie das Äußere. Meine Erwartung ging mehr in die Richtung wie bei Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt, da war in der dreieckigen Burg auch innen alles dreieckig. Mein Schwager erzählte uns, dass bei dem Bau eine Panne passiert ist, denn das große Glasfenster hinter dem Altar wurde aus Italien geliefert. Was ja erstmal nicht schlimm ist, doch die Italiener sind bei der Anfertigung des Glases von italienischen hellen Lichtverhältnissen ausgegangen und haben aus Gewohnheit dunkles Glas genommen, wobei bei den nordischen dunklen Tagen helles Glas besser gewesen wäre. Mir wäre das nicht aufgefallen. Nach einer halben Stunde Aufenthalt brachen wir wieder auf, aber nicht wieder zu Fuß über die Brücke. Einen Steinwurf entfernt gab es eine Bushaltestelle, da sollte doch mit ein wenig Glück auch ein Bus halten der über die Brücke fährt. Wir rätselten vor dem Fahrplan und kamen überein, der Übernächste in 10 Minuten sollte es sein. Der Busfahrer war recht freundlich Touristen gegenüber eingestellt und ließ sich von meiner Schwester zu einem Rabatt becircen.

    Mit dem Bus war die Brücke deutlich sympathischer und ruckzuck waren wir wieder bei der Fußgängerzone. Wir verabschiedeten uns von dem freundlichen Busfahrer, überhaupt hatte ich bis dahin noch keinen Norweger getroffen der mir gegenüber unfreundlich war, tja wie man in den Wald ruft. Wir standen also wieder in der Innenstadt mit dem Volksfest, den Namen habe ich doch auf einem Foto gefunden. Es hieß: „Nordnorsk Matfestival“, an einem Zelt war ein Schild angebracht.

    Es war eine tolle Abwechslung durch die Buden zu stöbern auch wenn wir aufgrund unserer vorzüglichen Vollverpflegung, in diesem Fall ein Nachteil, keinen Hunger hatten und wir mittlerweile wieder stark erhöhte Luftfeuchtigkeit hatten. Bei der gelben Kirche mussten wir auf die Museumsbesucher noch warten, und so verkürzte sich der Ein oder Andere die Wartezeit um die umliegenden Geschäfte zu erforschen.

    Als wir dann wieder vollzählig waren liefen wir auf der Hauptstraße in die entgegengesetzte Richtung aus der wir kamen. Und zwar zur nördlichsten Brauerei der Welt, so zumindest lautet der Werbeslogan der MACK Brauerei. Die Ølhallen waren recht leicht zu finden und mit von außen nasser und innen trockener Kehle stürzten wir uns ins Vergnügen. Ich prallte vor Schreck und Entsetzen gleich zurück, denn ich stand vor einem ausgestopften Eisbär. Das ist eine der wenigen negativen Erinnerungen an diese Reise, dieses hemmungslose zur Schau stellen einer Art die zum Aussterben verdammt ist. Es ist mir schon klar, dass dieses und viele weitere Exemplare aus einer längst vergangenen Zeit stammen, doch meiner Meinung nach haben diese schaurigen Relikte einer gedankenlosen Menschheit in der Öffentlichkeit, mit Ausnahme vielleicht in einem Naturkundemuseum, nichts zu suchen. Schluss jetzt, zurück zum Thema.

    Das Bier der MACK Brauerei ließ mich die Schrecken der Welt vergessen. Wir fanden in dem gemütlichen Brauereiausschank eine kuschelige Ecke und holten uns erst mal eine Runde Isbjørn Bier. Mein Glas war recht schnell leer, der Grund war natürlich dass es nur ein 0,3 l Glas war und so bin ich noch mal zu Theke und holte mir ein 0,6 l dunkles Beyer, was mir noch besser mundete. Wir verbrachten eine gemütliche Zeit in unserer Ecke bis jemand zum Aufbruch mahnte, denn es war schon 18:10 Uhr. Ich bin dann noch schnell in das Nachbarhaus, denn dort war der Brauereiverkauf was mir die Bedienung verraten hatte. Dort fand ich schnell was ich suchte, ein Exemplar des 0,6 l Gerstensaft Glases. Das Schönste an dem Glas ist die aufgedruckte Küstenlinie mit dem roten Punkt für die MACK Brauerei. Es gab noch viele andere schöne Sachen. Gut, dass ich nicht so viel Zeit zum Stöbern hatte, denn ich wollte nicht den Anschluss verlieren.


    Auf dem Weg zurück zum Schiff mussten wir wieder durch die Ankunftshalle, die auch mit zahlreichen Souvenirshops gespickt ist. Wir schauten uns noch eine Weile dort um.

    Gegen 18:30 legte die Finnmarken wieder ab, wir nahmen Kurs auf Skjervøy weiter Richtung Norden. Das Abendessen ließ auch nicht lange auf sich warten, die Restaurant Crew war diesmal auf Wetterunbill besser vorbereitet und hatte alles bewegliche, zerbrechliche und kulinarische gesichert und festgebunden. Das Dinner war wieder einmal ausgezeichnet, auch vegetarische Gerichte waren liebevoll und raffiniert angerichtet. Leider habe ich nicht alles dokumentiert, denn ich bin, was Tagebücher betrifft, noch ein Greenhorn. Den Abend ließen wir wieder im Panoramasalon ausklingen, was schon eine schöne Gewohnheit war. Meine Frau und ich gingen ca. 22:30 in die Kabine und machten uns Bett fertig, der Tag war wieder einmal anstrengend und lang genug.


    Kaum lagen wir im Bett als der Lautsprecher Nordlichtalarm quäkte. Sofort standen wir senkrecht im Bett, Nordlicht, an die Möglichkeit hatten wir gar nicht mehr gedacht. Wir schauten aus dem Fenster und sahen, dass am Himmel ein riesiger grüner Streifen zu sehen war. Sofort sind wir raus aus dem Bett, ich habe mir über den Schlafanzug hastig eine Jogginghose und ein Sweatshirt gezogen, Strümpfe an, Jacke übergeworfen und den Fotoapparat geschnappt, um in Badelatschen die Treppen hoch zum Umlaufdeck zu hasten. Das ganze Schiff war auf den Beinen und ich überholte viele halb angezogene Menschen, die nur ein Ziel hatten. Polarlicht, so ähnlich musste der Goldrausch am Klondike auch gewesen sein, oder eine Stampede in der Prärie. Da musste man aufpassen nicht zu stürzen sonst war man verloren. Auf dem Umlaufdeck dann das reinste Chaos, es war brechend voll und an ein Durchkommen zum Bug war nicht zu denken. Ein Blick zum Himmel und es blieb einem der Mund offen stehen, denn ein riesiges grünes und breites Band zog sich wabernd und leuchtend fast von Horizont zu Horizont über das Schiff. Es war ein magischer Moment der einen für sämtliches schlechtes Wetter der Fahrt entschädigte.

    Plötzlich fiel mir mein Fotoapparat ein und verzweifelt versuchte ich diese Pracht für die Ewigkeit festzuhalten. Meine gute EOS 60D wollte fokussieren und konnte nicht. Ich kam nicht drauf was ich falsch machte, also musste ich wieder rein zum Licht. Da kam mir meine Frau fertig angezogen entgegen und fragte, ob schon alles vorbei sei, weil ich wieder rein komme. Nee, ich komme mit meiner Kamera nicht klar, sieht super aus, sagte ich. Dann fiel es mir wie Schuppen aus den Haaren, Autofokus am Objektiv aus- und Dauerbelichtung einschalten, schon geht’s. Also wieder raus und durch die ganzen Oh´s und Ah´s zu einer guten Fotoposition durchkämpfen und dann klappte es. Na so was, da geht man stramm auf die 60 zu, ist plötzlich aufgeregt wie ein kleiner Junge und kriegt nix gebacken. Das grüne Band stand noch wie eine Eins am Himmel und sah aus als würde es im Wind wehen. Das Einzige was störte war das grässliche Blitzlichtgewitter, aber ich darf mich nicht aufregen, ich beherrsche meinen Fotoapparat ja auch nicht wirklich gut.


    So langsam löste sich das Band auf, aber es blieb noch genug zu bestaunen während wir in den Hafen von Skjervøy einliefen. Ich holte mir noch das Stativ und bleib noch lange nach dem Auslaufen auf dem Bug. Um 23:30 hatten wir noch eine Hurtigruten Schiffsbegegnung, denn die Spitsbergen zog es nach Süden, ohne das Typhon zu benutzen grüßten sich die beiden Schiffe nur durch Lichtzeichen. Die meisten Leute waren verschwunden und auch meine Frau war wieder im Bett. Jetzt hatte ich einen Goldrausch, ich hoffte noch den großen Claim zu finden. Vielleicht kommt es nochmal, das Polarlicht, doch irgendwann wurde ich der Warterei müde. Ich hatte kalte Füße, denn Badelatschen sind als polare Fußbekleidung doch eher suboptimal und meinen Schlafanzug zog es zurück ins Bett.
    Was für ein aufregender und ereignisreicher weiterer Tag.

  • @Nanook Deine Zeitangaben in Tromsoe passen nicht ganz. Aufbruch von den Ølhallen um 18:10 h, Ablegen des Schiffes um 17:30 h. ;) Ihr seid doch wohl nicht mit dem Bus nach Skjervøy gefahren. :)

    Es grüßt Capricorn :hut:


    7/11 RW // 3/12 NX // 7/12 FM/VE // 3/13 VE // 1/14 TF // 3/14 LO // 7/14 NX // 4/16 FR // 3/18 VE // 7/19 FR


  • Für die Informationen zur GAMLE SALTEN hättest du nicht ins Museum gehen müssen. Die findest du auch sehr ausführlich in unserem Wiki ... und Nein, sie war kein Schwesterschiff der FINNMARKEN.
    Die GAMLE SALTEN ist doch um Einiges kleiner.

    Gruß Jobo,


    Ich war noch nicht überall, aber es steht auf meiner Liste.
    - Susan Sontag -


    (Links zu meinen Reiseberichten finden sich im Profil/über mich)


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  • @Capricorn - Danke für den Hinweis, ich hab's sofort verbessert. Die Finnmarken fuhr natürlich um 18:30 los. :)


    @Jobo - Es liegt wohl auch daran, das ich sie für ein Schwesterschiff gehalten habe, weil ich die Bauart doch recht ähnlich fand. :)


    Vielen Dank für eure Anmerkungen! ;)


    Gruß Gilbert

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