So eine Einladung zum Abendessen ist eigentlich ja eine sehr einfache Angelegenheit: Man kauft etwas Wein für den Gastgeber, ein paar Nettigkeiten für die Dame des Hauses, schrubbt sich beim Duschen besonders gründlich ab, wirft sich in sein Schapptüch und los Spätabends - oder frühmorgens - ist man dann wieder in den eigenen vier Wänden, angenehm gesättigt und vielleicht auch etwas angeschickert
Soweit die Theorie, aber warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?
Die Annahme der stehenden Einladung zum herrlichen Lutefisk wurde im Sommer bestätigt, ich brauchte mich also nur rechtzeitig von ein paar Kröten zu trennen, das Auto zu tränken, die Tasche zu packen und dann sonntagmorgens vor Tagesgrauen mein Exil auf der Autobahn hinter mir zu lassen
Und die Autobahn ist laaaang, seeeehr laaaang - zum Glück am Sonntag aber ohne LKW und Stau in meiner Väter Stadt oder gar vor der auf neunzig Jahre berechneten Rader Hochbrücke (). Die Autobahn ist sogar soooo laaaang, dass sie nicht einmal dort aufhört, wo Deutschland endet und ein dänischer Soldat mich durch freundlich bestimmtes Winken dazu aufforderte, ins Königreich einzufahren, da ich willkommen sei Nur die Farbe der Beschilderung ändert sich, aus deutschblau wird dänischgrün
Doch dann das: Die Autobahn ist salzwasserscheu Sie hört einfach dort auf, wo die Nordsee anfängt, eben in Hirtshals...
Und ich hatte Zeit, vieeeel Zeit, denn ich war ja rechtzeitig losgefahren, hatte der Autobahn die Treue gehalten und war dafür mit Stauabsenz belohnt worden. Zeit, die sich nutzen lässt, war ich doch sonst entweder morgens voon Bergen her per Schiff nach Hirtshals gekommen, oder aber später am Tage, sodass sich der direkte Weg zum Fährhafen geradezu aufdrängte, um der Situation auszuweichen, dem eigenen Schiff hinterherzuwinken! Mit anderen Worten: Endlich einmal die Chance, sich etwas in Hirtshals umzutun
Da gibt es also Plätze, einen Ort, an dem man seinen Durst stillen könnte, und sogar das "teure Geschäft" (herzlichen Dank an den Laternenpfahl )
Seit Ende Juli hat sich auch an der Beschilderung etwas geändert - man schreibt nun Hundisch, jedenfalls vor dem Supermarkt
Und oberhalb des alten Fischereihafens steht ein Denkmal für die am 1. Dezember 1981 in der Hafeneinfahrt von Hirtshals umgekommene Besatzung des dänischen Seenotrettungsbootes R.F. 2
Hinter dem Denkmal führen Treppen hinab zum Fischereihafen, in dem es u.a. süße Schiffsnamen gibt
Auch hat wohl einer der führenden Expressionisten dort sein schwimmendes Atelier liegen, das garantiert demnächst bei Sotheby's oder Konkurrenten für einen Wahnsinnspreis unter den Hammer kommt, sodass die Fettecke ganz bescheiden wirken dürfte
Ansonsten gibt es eine Mischung aus Moderne und Tradition in dem für skandinavische Verhältnisse typischen Ambiente, das Pedanten und Beckmesser sicher gerne mit so bösen Worten wie "unaufgeräumt" oder gar "rummelig" belegen würden Ich mag diese Atmosphäre mit kaum Vorhandenen Absperrungen, ihren vielen Farben und neuen Entdeckungen quasi hinter jeder Ecke einfach gern und fühle mich in ihr wohl wie ein Leguan in der Sonne
Ja, und an welchen nordnorwegischen Beherbergungsbetrieb erinnert mich nun bloß dieses Etablissement?
Ihr könnt dem Sieb in meinem Kopf doch sicher auf die Sprünge helfen, oder?
Jedenfalls war nach dem Rundgang im Fischereihafen immer noch so reichlich Zeit, dass ich mir auch den Leuchtturm noch gönnen konnte
Wo ich ja schon die "rummeligen Häfen" mag, da wundert es sicher nicht, dass mir diese Art des Pflanzenwuchses auch großes Vergnügen bereitet, oder?
Da soll es mir doch egal sein, dass André Le Nôtre angesichts dieses Prachexemplars garantiert sofort eine letale Apoplexie erlitten hätte - wobei sich mein Mitleid schon allein deshalb sehr in Grenzen hält, da Monsieur Le N. aus biologischen Gründen gar nicht mehr apoplexiefähig ist
Weniger schön sind die selbstredend auch an diesem Ort zu findenden Hinterlassenschaften einer früheren Generation Deutscher
Abriss zwecklos. Am Oddesund hatte vor einigen Jahrzehnten ein Bauunternehmer den Auftrag zum Abriss deutscher Bunkeranlagen aus den Besatzungsjahren angenommen und hat sich bereits am ersten Betonklotz finanziell die Zähne ausgebissen. Seitdem investiert in Dänemark kein Bauunternehmer mehr auch nur das Porto für eine Antwort auf Bunkerabrissauschreibungen - egal, wie verzweifelt die Auftragslage auch aussehen mag
Jedenfalls war die Aussicht schön, die Sonne strahlte noch einmal - die große Schleusenöffnung stand ja für den Rest der Reise schon in allen verfügbaren Wetterberichten - und ich hatte ja Zeit, viel Zeit
Soviel Zeit, dass ich auf dem Weg zum FjordLine Terminal noch einmal am Fischereihafen vorbeikuckte und in einem netten Café noch etwas heißes Shwarzes mit Milch zu mir genommen habe Denn in diesen Hallen
beschränkt besteht die Krone der Gastlichkeit in einem Schokoriegel und Klebebrause feilbietenden Automaten (OK, immerhin keiner der alten Kaffeeautomaten, die auch "Gemüse-" oder "Hühnersuppe" im Angebot hatten, und bei denen der Kunde immer vorher darum flehte, dass seit der letzten Komplettreinigung noch niemand Lust auf eben eines dieser Angebote gehabt hatte - denn Kaffee mit einer Nudel oder einem feinen Hauch Trockenzwiebel... )
Aber der Service beim Check-in ist einwandfrei, alles in kürzester Zeit erledigt, auf Bitte gab es sofort auch die Parkberechtigung mit Buchungsnummer, um der Geschäftsidee des Weiterverkaufs gleich einen Riegel vorzulegen Ja, und dann blieb das Horizontabsuchen in Richtung Langesund, bis schließlich die BERGENSFJORD in Sicht kam
Gut, dass in Hirtshals alles so kleinräumig ist: Einmal über die Brandungsmauer auf die Hafenmole, und es gab das:
Anschließend zurück, einen Kieshaufen ausnutzend und aus der Deckung abgestellter Baumaschinen ließ sich das weitere Anlegemanöver des Dampfers prima verfolgen, ohne dass ich fürchten musste, ihn zu verpassen
Nur ein wenig Matsch an den Schuhen ließ sich nicht ganz davon überzeugen, in Dänemark zu bleiben, aber den Teppich in meiner Kammer (Doppel-Außen mit der hier beschriebenen Möglichkeit zur Aufmotzung in eine Viermannangelegenheit) habe ich sauber gehalten
Wobei der lockende Kojentest aber noch bis nach dem Auslaufen vertagt wurde - schließlich traute sich ja auch die Konkurrenz von der Farbenlinie vorbei
Aber danach hat es dann nicht mehr lange gedauert, denn ich war ja schon seeeehr früh im Exil aufgebrochen
Und morgen...
But that's another cuppa...