Teil 12: Für mich der schönste Tag der Reise – 19.03.2012
Trotz der relativ kurzen Nacht stand ich schon vor 7 Uhr unter der Dusche. 20 Minuten später waren alle damit zusammenhängenden Aufgaben erledigt und ich bereit für einen hoffentlich schönen Tag. Warum auch immer – ich hatte heute keine Kopfschmerzen, nur diesen lästigen Reizhusten.
Mit meiner Kabine habe ich heute so eine Art Friedliche Koexistenz geschlossen. Das bedeutet, dass ich am Morgen alle Sachen, die ich über den Tag benötige, in den Rucksack packe, alles mit nach oben nehme und die Kabine erst wieder zum schlafen betrete. Während dieser Zeit lief der Ventilator in der Kabine, so dass ich wenigstens beim Betreten den Eindruck von frischer Luft hatte. Von da an hat es funktioniert zwischen uns, warum bin ich bloß nicht früher auf die Idee gekommen.
Als ich an Deck komme, sehe ich als erstes blauen Himmel und weiß gezuckerte Berge. So hatte ich es mir gewünscht.
Harstad war erst zu erahnen, wir hatten gute 20 Minuten Verspätung. Gelegenheit, schnell noch zu frühstücken. Die anderen aus der Gruppe waren gerade fertig damit, aber für einen Kaffee und ein bisschen Rührei reichte die Zeit.
Ob wohl die MS Midnatsol auf uns wartete? Ja das tat sie, wir konnten sie schon von Weitem im Hafen liegend sehen. Näherkommend sahen wir ein kleines schwarz-weißes Frachtschiff an unserem Platz liegen. Das musste erst einmal für uns frei machen. Ich möchte nicht wissen, in wie vielen Fotoalben jetzt ein Bild dieses Schiffes mit dem Titel MS Nordstjernen steckt.
Das Interesse auf der MS Midnatsol an unserer Schiffsbegegnung hielt sich, um es mal freundlich auszudrücken, in Grenzen. Es waren kaum Leute zu sehen und das Signal zur Begrüßung war auch ziemlich verhalten. Nachdem unser Liegeplatz frei war, konnten wir anlegen. Kurz darauf legte die MS Midnatsol auch schon ab und wurde von uns mit einem ordentlichen Signal verabschiedet.
Von den 10 bis 15 Leuten, die beim Anlegen am Kai waren, stiegen fast alle als Distanzreisende zu. Unter ihnen war auch Carina Hansen, die es sich gleich erst einmal in den Polstern unserer Forenzentrale gemütlich machte. Kurz darauf war sie aber schon irgendwo im Inneren das Schiffs – das für sie ja wie eine zweite Heimat ist – verschwunden. Später erschien eine Dame mit Rucksack und Kamera an unserem Tisch und fragte nach Muddi. Es war Cecilia Taylor (Seagull) vom Captains Voyage Forum, die uns viele Grüße von Jobo ausrichtete. Auch sie fuhr von Harstad bis Svolvær und mit ihr haben wir uns oft und gern unterhalten.
Jetzt war erst einmal Internet- und Forenzeit. Schließlich mussten wir ja wissen, was inzwischen so über uns berichtet wurde und das Forum musste auch geupdatet werden. Dank tangojoe wurden wir fast zeitnah mit den neusten Informationen versorgt, was dann zeitweilig zu einem Wettbewerb führte, ob wir schneller posten als tangojoe die Links findet. Dank der überaus flotten norwegischen Presse hat tangojoe meist gewonnen.
Das schöne Wetter trieb uns natürlich wieder raus, außerdem werden wir bald die Risøyrenna durchfahren. Diese hatte ich bewusst auch noch nicht erlebt, entweder war es dunkel oder ich war auf Ausflug. Dafür war es heute umso schöner. Der blaue Himmel spiegelte sich zusammen mit der grellen Sonne im Wasser. Dazu diese wunderschön gezuckerten Berge. Es gab eigentlich nur zwei Farben – blau und weiß, die ab und zu durch die bunten Bojen ergänzt werden. Dann kommt auch noch etwas gelbe Farbe ins Spiel, als wir an einem großen Schwarm Eiderenten vorbeifahren.
Witzig finde ich die kleinen unregelmäßigen Waldstücke, die vom Schiff aus teilweise wie Schatten von Schiffen aussehen. Hab ich so vorher auch noch nicht gesehen.
Ab und zu werden wir von kleinen Schiffen begleitet, nach Abfahrt Risøyhamn sogar von der Küstenwache.
Schon am zeitigen Vormittag hatten wir Asgeir über eine weitere Aktion der Banner-Gang informiert und ihn um seine Mithilfe gebeten. Ich hatte schon ein paar Tage vor dieser Reise die Idee, auf dem Banner alle Mitreisenden, Gäste und die Crew unterschreiben zu lassen. Die Idee wurde für gut befunden und einen schwarzen Edding hatte ich auch im Gepäck. Nun erklärten wir unser Vorhaben dem Reiseleiter mit der Bitte, das Ganze über Lautsprecher bekannt zu geben. Die Aktion sollte während der Fahrt durch den Raftsund stattfinden, weil wir da sicher sein konnten, die meisten Mitreisenden zu erreichen. Asgeir fand die Idee nicht nur gut sondern spitze und hat sich richtig ins Zeig gelegt. Dazu aber später.
Wenn wir unseren Asgeir schon mal so freudig gestimmt hatten, konnten wir doch gleich mal nach einer Brückenbesichtigung fragen. Kurz nach Abfahrt in Risøyhamn bekamen wir dann die Nachricht, dass wir zu einer exklusiven Brückenführung um 12 Uhr erwartet werden. Toll!
Die Besichtigung war dann auch fast exklusiv, neben uns waren noch zwei weitere deutsche Ehepaare eingeladen. Das war in Ordnung so.
Über die technischen Dinge lass ich mal lieber die Jungs berichten, da kommt bei mir eh nur Gummi raus (Frauen und Technik…) Es war aber auch für mich schön, die Mischung aus Alt- und Neutechnik zu sehen.
Capricornaj hat die Gunst der Stunde genutzt um dem Kapitän ein gerahmtes Foto der MS Nordstjernen - aufgenommen bei einer Schiffsbegegnung in Berlevåg letzten Sommer – zu überreichen. Außerdem übergab er eine Forenflagge und erklärte den anwesenden Crewmitgliedern die Funktion des Hurtigforums. Das war eine große Überraschung für alle, denn damit hatte wohl keiner gerechnet. Sie haben sich auf jeden Fall gefreut.
Uns überrascht hat eine kleine zarte Frau – Carina Hansen – die von den meisten unbemerkt in einer Ecke der Brücke stand und uns fotografierte. Das Bild war schneller in der Online-Presse, als wir wieder von der Brücke runter. Ja, die Norweger können auch flink sein, wer hätte das gedacht….
Nun mussten aber wir flink sein, denn wir fuhren schon auf Sortland zu. Von uns unbemerkt hatten wir die Verspätung seit Harstad aufgeholt. An Stelle der Reisebusse, die immer gleichzeitig mit dem Schiff die Brücke passieren, war nur der Minibus unterwegs. Wer wollte auch diesen Ausflug machen, wenn wir ihn vor 4 Tagen schon einmal kostenlos angeboten bekamen.
Den Aufenthalt in Sortland nutzen wir zum Mittagessen. Dabei sitzen wir genau gegenüber dem Tisch, an dem auch Ragnar Norum, der Pressesprecher von Hurtigruten, mit seiner Begleitung speist. Capricornaj macht uns darauf aufmerksam und beschließt zugleich, ihn anzusprechen und auf uns aufmerksam zu machen. Ein noch unverbindlicher Termin für ein gemeinsames Gespräch ist notiert.
An Land ist kaum was los, Abschiedsfeierstimmung überhaupt nicht. Aber in jedem Hafen wird das Torten- Buffet neu mit den schönsten Kreationen aufgefüllt. Während der Aufenthalte kommen immer wieder Gäste an Bord, die dann mit Torte und Kaffee bewirtet werden. Viele bringen Blumen und kleine Aufmerksamkeiten mit.
Pünktlich legen wir in Sortland ab und genießen weiterhin das Traumwetter auf den Außendecks.
Gegen 14 Uhr sitzen wir zusammen in unserer Forenzentrale, als wir sie plötzlich sehen: die Sorte Reisende, über die sich so oft in Reiseberichten lustig gemacht, oder aufgeregt wurde. Da sitzen 6 Frauen bei Kaffee und Kuchen – später dann bei Wein – und stricken, was das Zeug hält. Erst belustigt, dann staunend beschließen wir, uns das genauer anzusehen und stellen fest, dass das keine gelangweilten Distanzreisenden sind, sondern ein Strickclub oder so, der ähnlich der berühmten Kaffee-Gangs einen Ausflug per Schiff macht. Das wachsende Interesse an ihrer Arbeit lässt sie dann auch ihr gesamtes Arsenal an Wolle auf den Tischen ausbreiten (Bavaria58 hätte ihre helle Freude dran gehabt)
Ankunft in Stokmarknes. Einige gehen ins Hurtigrutenmuseum. Wir müssen nun das FOREVER-YOUNG-Banner abnehmen, da nach Abfahrt die Unterschriften – Aktion beginnt.
Asgeir macht die Durchsage in allen Sprachen, denen er mächtig ist. Er erklärt, was wir vorhaben und was anschließend eventuell mit dem Banner geschehen soll.
Als wir kurz vor dem Raftsund sind, verabschieden sich Capricornaj, Leonina und Garry auf die Nock zum Schauen und vor allem Fotografieren. Jens ist mit der Kamera auch irgendwo in den Tiefen des Schiffes verschwunden.
Ich erkläre mich gern bereit, die Aktion Banner zu übernehmen, war ja auch meine Idee. Clerence ist auch mit dabei und so breiten wir das Banner auf dem Tisch auf dem Außendeck aus und warten gespannt, was nun geschieht. Und sie kamen, erst neugierig und dann wanderte der Edding von einer Hand in die andere. So viel Zuspruch hatte ich zwar erhofft, aber eigentlich nicht so richtig dran geglaubt. Es war einfach schön, zuzusehen, wie sich unsere Mitreisenden und die Gäste einen Platz zum unterschreiben suchten, sich dabei fotografieren ließen – einige kamen sogar zurück, nahmen den Stift nochmals in die Hand um ein Foto von ihrer Unterschrift zu haben. Leider habe ich mir in der Aufregung nicht gemerkt, wer die erste Unterschrift geleistet hatte (eigentlich die zweite, denn die erste war von mir, als Test, ob der Stift überhaupt auf diesem Stoff schreibt). Eine der ersten waren Cecilia Taylor und Carina Hansen. Auch Ragnar Norum kam mit zwei seiner Begleiter und unterschrieb lächelnd. Er war auch ziemlich beeindruckt. Witzig war die Aktion eines Mannes, von dem ich erst glaubte, er will das Banner verschmieren, weil er Kringel und Wellenlinien malte. Daraus entstand aber eine niedliche Zeichnung und eine Sprechblase „que la norvege reste belle“, was soviel wie „Norwegen ist schön“ heißt. Den meisten Spaß hatten wir aber mit den Damen vom Strickclub. Die waren inzwischen vom Kaffee auf Wein umgestiegen und richtig gut drauf. Erst kamen sie gemeinsam zur Unterschriftsleistung, einige Zeit später waren sie wieder am Tisch, suchten auf dem Banner nach ihren Unterschriften und malten jeweils ein Wollknäuel mit Stricknadeln dazu. Das alles wurde natürlich ausführlich im Foto festgehalten. Immer wieder mussten wir auch Fragen beantworten, wo wir herkommen, was die Aktion bedeutet und was mit dem Banner geschehen soll.
Wir hatten es ja schon erwähnt und Asgeir hatte es erklärt, dass geplant ist, das Banner nach Ende der Reise dem Hurtigrutenmuseum in Stokmarknes zu übergeben. Ich würde von Herzen allen, die sich an der Aktion beteiligt haben, gönnen, dass sie eines Tages in diesem Museum das Banner mit ihrer Unterschrift sehen und dann dieses Ich-war-dabei – Gefühl bekommen.
Als wir nach einiger Zeit völlig durchgefroren die Aktion erst einmal beendeten, hatten wir schon ca. 100 Unterschriften gesammelt – also von fast allen Anwesenden, die ja zeitweise sogar Schlange standen an unserem Tisch. Das Banner lag aber ab sofort immer für Interessenten bereit, dafür sorgte schon unser rühriger Reiseleiter und unsere Forenpräsenz.
Obwohl die Banner – Aktion auf dem Außendeck natürlich im Mittelpunkt stand, haben wir es geschafft, das eine oder andere schöne Foto der atemberaubenden Kulisse um uns her zu knipsen. Ich könnte eh die ganze Zeit schneebedeckte Berge fotografieren, die faszinieren mich einfach.
Trotzdem hoffe ich auf viele schöne ergänzende Aufnahmen meiner Mitstreiter in ihren Reiseberichten.
Von uns auf dem Außendeck unbemerkt wurde ein Kameramann vom NRK mit einem Schlauchboot zu Wasser gelassen, womit er in den Trollfjord fährt. Wir sehen das Boot erst bei seiner Ausfahrt. Leichte Hoffnung auf eine Fahrt in den Trollfjord flammt auf. Wir haben nun schon so viel Schönes erlebt, das wäre der Höhepunkt gewesen. Leider wird uns dieser Wunsch nicht erfüllt. Aber schön an die Mündung ran sind wir gefahren.
Als wir uns Svolvær nähern, wird es schon wieder dunkel, wieder wird es nichts mit einem anständigen Foto der Fischersfrau. Ob ich das jemals schaffe?
Cecilia verabschiedet sich, sie steigt ab, aber wenn ich sie richtig verstanden habe, sehen wir uns nochmal wieder. Auch von Jens müssen wir uns verabschieden, er wird mit der MS Vesterålen zurück nach Tromsø fahren. Wir haben einen sehr schönen Tag miteinander verbracht. Gerne jederzeit wieder, hier in Deutschland oder bei unserer nächsten Reise endlich mal in den Ølhallen.
In Svolvær gehen wir mal kurz an Land, Beine vertreten. Capricornaj und seine Frau besuchen Magic Ice – ich freue mich schon auf die Fotos.
Auf dem Rückweg bringen sie ihre Eisdrinks mit und eine merkwürdige Information, die wir erst einmal ans Forum posten müssen. Obwohl nicht ernst gemeint, werden wir sofort beneidet – natürlich auch nicht ernst gemeint.
Nach der Abfahrt in Svolvær und dem endgültigen Abschied von arcticGetaway ist Dinner angesagt. Dabei begegnet uns die MS Vesterålen und einige gehen auch mal kurz raus um zu winken. Sogar die Typhone der Schiffe erklingen um diese Tageszeit.
Nach dem Essen legen wir in Stamsund an. Hier verlässt nun auch Carina das Schiff, überhaupt ist es wieder ziemlich leer, für die meisten Distanzreisenden ist die Fahrt schon wieder zu ende.
Später sitzen wir noch eine ganze Weile in unserer Forenzentrale bei einem lecker Mack (es schmeckt mir wieder!) und mit unseren Note- und Netbooks. Die Jungs vom NRK kommen dazu und fragen, ob wir wieder in dem Forum arbeiten. Sie wollen uns für ihre Dokumentation an den Rechnern arbeitend filmen. Ich denke mal, das haben sie auch getan, wir waren oft so beschäftigt, dass wir es sicher nicht bemerkt haben. Die Gunst der Stunde nutze ich und lasse die Beiden auf unserem Banner unterschreiben. Dabei werde ich gefragt, ob dieses Banner eine Legende ist. Natürlich ist es das, und was für eine!
Übrigens: nachdem wir festgestellt hatten, wie gut und fließend sich Capricornaj und Leonina auf Englisch unterhalten können, haben wir sie kurzerhand zu unseren Pressesprecher nebst Assistentin erklärt, was sich in den nächsten Tagen durchaus als Vorteil erweisen sollte. Wir können ja alle mehr oder weniger gutes Schul- oder erweitertes Englisch, aber so gut eben nicht.
Ja, nach diesem traumhaften, ereignisreichen Tag fuhren wir nun auf den Vestfjord zu. Das Wetter hat sich von anfänglichem Schneefall zu ekligem Regen entwickelt, außerdem fängt es schon wieder an zu schaukeln. Höchste Zeit, in die Kojen zu gehen, der Tag war lang und aufregend genug.
Meine Kabine erschien mir angenehm frisch, dank des Ventilators, aber dieses Geräusch wollte ich in der Nacht nicht haben.