Kürzlich bin ich mal wieder dienstlich auf Abwegen gewesen, diesmal auf den Balkan, genauer gesagt nach Serbien, wo es in die Hauptstadt Belgrad und die Stadt Ruma ging. Ein paar Eindrücke von der Reise möchte ich Euch nicht vorenthalten und lege also gleich mal mit Belgrad los:
Die Anreise war über Düsseldorf mit Air Serbia erfolgt, die Nachfolgegesellschaft der jugoslawischen JAT, die inzwischen von einer der Golf-Airlines aufgekauft und aufgepäppelt worden ist. Der Flug mit einem Airbus A319 war angenehm, etwas überraschend, dass es selbst in der Holzklasse schon vormittags die Auswahl aus zwei warmen Speisen gab, zu deren Verzehr echtes Besteck aus echtem Metall gereicht wurde!
Nach der Landung auf dem nach dem serbischstämmigen Elektropionier Nikola Tesla benannten Flughafen kommt man zügig über eine breite Einfallstraße in das Stadtzentrum, wo im Hotel Moskva Quartier genommen wurde, einem tradtionsreichen Viersternehaus mit plüschigem, aber sehr angenehmen Charme.
Ein Einzelzimmer ist dort wirklich noch ein Einzelzimmer , aber gemütlich, sauber und vollkommen in Ordnung. Schön sind auch die Cafés im Erdgeschoss mit ihren Außenterassen, die zum Verweilen einladen und auch von den Passanten weidlich genutzt werden. Auch deshalb wurde während unseres Aufenthalts eine Erweiterung gebaut.
Aber für die Annehmlichkeiten des Hotels gab es zunächst keine Zeit, denn knapp nach Ankunft hatten wir einen Termin im serbischen Parlament inklusive Probesitzen im Plenarsaal sowie dem Empfangsraum für hochrangige ausländische Besucher, dessen Wände Ölbilder der einstigen serbisch-jugoslawischen Könige zieren und der zugleich eine Auswahlausstellung von Staatsgeschenken beinhaltet - u.a. ein Meißner Porzellanteller mit dem DDR-Staatswappen.
Etwas Ausspannen konnten wir danach im Tasmaidan-Park neben der serbisch-orthdoxen Markuskirche in einem Café.
Allerdings reichte es gerade für eine Erfrischung, denn der nächste Termin stand bereits an, waren wir doch beim römisch-katholischen Erzbischof Stanislav Hočevar angesagt - und dort erlebten wir, dass der bezogen auf Zeitangaben bereits geflügelt gewordene Ausspruch: "Das ist der Balkan!" nicht immer gilt. Zeitig am Bischofssitz angekommen, funktionierte die Klingel erst punktgenau zur vereinbarten Zeit und die Tür wurde dann auch sofort geöffnet geradezu preußische Verhältnisse...
Der Bischofssitz selbst hat eine sehr interessante Geschichte, denn er war ursprünglich die österreichisch-ungarische Gesandtschaft in Serbien und spielte in der Julikrise eine Rolle. Im weiteren Sinne gab es dort den ersten Toten des Ersten Weltkriegs, da der russische Botschafter in Serbien im Eingang des Hauses während der Verhandlungen über das österreichische Ultimatum an Serbien an einem Herzinfarkt verstarb. Ein Mahnmal mit den Wortnen PAX und MIR erinnert heute daran. Und im Garten steht eine steinerne Prunkbank, die der österreichisch-ungarische Gesandte 1914 für den erwarteten Besuch des Erzherzog-Thronfolgers Franz Ferdinand und seine Gemahlin Sophie von Hohenberg hatte anfertigen lassen und die unbenutzt blieb, da beide kurz zuvor in Sarajewo ermordet worden waren und die Welt in den Krieg taumelte.
Das heutige Bischofspalais war übrigens ursprünglich ein freistehendes Gebäude, die Nachbarhäuser sind erst in den Jahren des Kommunismus errichtet worden und sollen von besonders zuverlässigen Kommunisten bewohnt gewesen sein, quasi als Aufpasser für die kirchlichen Nutzer.
Belgrad selbst ist eine lebendige Stadt der Kontraste mit eine Mischung der Baustile, Moderne steht neben Verfall und einige Gebäude sind nach wie vor durch die Luftangriffe von 1998 zerstört - vom Fotografieren derselben habe ich aber abgesehen, da es nicht unbedingt gut ankommen soll, dies zu tun. Sehr gefallen hat mir auch das viele Grün in der Stadt. Fast nirgends ist ein Park weit entfernt, und auch an Straßenbäumen herrscht kein Mangel.
Der erste Abend fand dann im böhmischen Viertel von Belgrad bei serbischen Spezialitäten seinen Ausklang.
Die serbische Küche ist sehr fleischlastig, die Portionen mehr als generös, sodass man manchmal den Teller unter dem Fleisch suchen muss, ebenso wie das Gemüse, für dessen Auffindung eine Lupe sehr hilfreich ist... Immerhin gibt es qualitativ gutes flüssiges Obst als Verteiler - aber nachdem ich in fünf Tagen locker eine Monatsration Fleisch und eine Jahresration Schnaps vermöbelt hatte, war ich zu Hause glücklich, einfach zwei Käsebrote zu essen! Auch wenn es sicher für die fleischlos lebenden unter uns nie das kulinarische Ziel der Wahl werden dürfte, ist die serbische Küche schmackhaft, nur eben die Portionen sind zu groß...
Am zweiten Tag in Belgrad führte uns der Weg zunächst in den Kalemegdan-Park am Zusammenfluss von Donau und Save.
Der Ort selbst ist für Serbien geschichtsträchtig, Ort der Stadtfestung und Spiegel der wechselvollen Geschichte Serbiens seit vorosmanischer Zeit.
Angesichts der vielen Wechselfälle und Herrscherwechsel nimmt es dann auch nicht Wunder, dass sich in den Anlagen sowohl osmanische Relikte wie das Grab des Großwesirs Damad Ali Pascha zu finden sind, wie solche, die den serbischen Nationalismus feiern, so den "Pobednik" ("Sieger") als Denkmal für den Sieg über die Osmanen in den Balkankriegen von 1912 und 1913, das Dankesdenkmal für Frankreich für die Waffenbrüderschaft im Ersten Weltkrieg sowie den Widerstand gegen den Beitritt Jugoslawiens zum "Dreimächtepakt" 1941, der schließlich zum Balkanfeldzug führte.
Übrigens war der "Pobednik" in Serbien nicht unumstritten und fristete die ersten Jahre seiner Existenz am Stadtrand, da er außer seinen Waffen keinerlei Kleidung trägt, was von weiten Teilen der Bevölkerung als "unserbisch" empfunden wurde...
Nachmittags ging es mit der Straßenbahn zum Denkmal für die Befreiung Belgrads von der deutschen Besatzung 1944 sowie zum jüdischen Friedhof, auf den es allerdings nur einen Blick durch das Gittertor gab, da Sabbat war.
Bevor es dann nach Ruma ging, standen noch zwei weitere must sees in Belgrad auf dem Programm: Zu Fuß ging es vorbei am Palast des Staatspräsidenten
und einem wegen seiner Ausschilderung für Heiterkeit und exzessives Kamerageklicke sorgenden Nebeneingang des serbischen Finanzministeriums
zur Kathedrale des Heiligen Sava, die noch immer im Bau befindlich ist. Gewisse Paralellen zur Baugeschichte des Kölner Doms drängen sich unmissverständlich auf...
Und dann ist da Tito... Noch immer von vielen Menschen verehrt (ein weiteres geflügeltes Wort: "Das hat Tito gemacht!") liegt der langjährige kommunistische Machthaber Jugoslawiens im "Haus der Blumen", seiner dereinstigen Sommerresidenz in Belgrad begraben, seit 2013 neben ihm seine Frau Jovanka. Im zur Residenz gehörenden Park, vor dem nach Titos Tod das Museum der Geschichte Jugoslawiens errichtet wurde, stehen zahlreiche dem Diktator zum Geschenk gemachte Skulpturen.
Anschließend ging es zurück zum Hotel, die Koffer holen und dann weiter in die Voivodina -
but that is another cup of tea.